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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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berichten? Von den Schifffahrten erzählen, dem wunderlichen Alten? ,Dass ich eine mächtige Festung besichtigt und eine Wurst geklaut habe?’ Die Beschimpfungen, die ihm widerfahren waren, würde er ohnehin für sich behalten.
      Nicht der geringste Einfall kam ihm, wie sich die Situation eines Wesens, wie er eines war, zufriedenstellend entwickeln könnte. Zugegeben, als Wundertier aufzutreten, wie dieser Nemo es mit ihm wohl vorhatte, war von einem gewissen Reiz. Aber angestaunt zu werden, auf die Dauer ein wünschenswertes Leben? Mitnichten! Überhaupt: Sich wildfremden Menschen gegenüber als andersgearteter Hund erkennen zu geben, hielt er nicht mehr für eine gute Idee. Es müsste der letzte Trumpf, das Ende einer Vertrauensbildung sein. Aber wie kommt man zu einem Anfang?
      Das Schiff setzte sich in Bewegung.
      ,Erst einmal wieder zur Stadt, schauen, kennenlernen, erfahren… Ein Plätzchen für die Nacht wird sich finden. Bänke und Büsche gibt es überall. Es wird eine milde Nacht… Aber noch etwas in den Magen müsste ich haben!’

    Auf dem Schiff befanden sich nicht allzu viele Leute. Vorsichtig verließ Lux sein Versteck. Er trottete an der Reling entlang, äugte in Quergänge, bevor er sie passierte, und er erschrak bis ins Mark, als plötzlich von oben ein Ruf erschallte: „Ein Hund – wem gehört der Hund?“
      Wenig später hallte es überlaut über das gesamte Schiff und aus allen Ecken: „Achtung, werte Gäste: Der Kapitän unseres Schiffes bittet den Besitzer, seinen Hund unverzüglich anzuleinen. Es ist aus Sicherheitsgründen nicht gestattet, dass Tiere frei herum laufen.“ Die Lautsprecherdurchsage wurde noch zwei Mal wiederholt.
      Lux wollte sein Versteck erreichen. Er lief schneller.
      Aus einem Quergang trat ein Mann der Schiffsbesatzung. Er trug ein Tablett mit vollen Getränkegläsern und Tellern mit Speisen. Der Zusammenstoß war unvermeidlich.
      Der Steward schlug lang hin.

      Glas klirrte, verschüttete Getränke schäumten am Boden auf, Würste kullerten und Kartoffelsalat kleckste.
      Lux, von einem Bierseidel getroffen, heulte mehr vor Schreck als Schmerz auf.
      Vom Scheppern alarmiert, drängten einige Passagiere zum Schauplatz.
      Der Kellner kam geistesgegenwärtig schnell auf die Beine. „Na warte, du!“, rief er und setzte Lux, Leute rempelnd, nach.
      Lux hatte zwar sein Ziel erreicht, es gelang ihm aber nicht mehr, unbemerkt unter einer Bank zu verschwinden.
      „Wem gehört der Hund?“, fragte der Bedienstete drohend die Umstehenden.
      Ein zweiter Mann der Besatzung gesellte sich zu ihm, bückte sich im gehörigen Abstand von der Bank und schaute darunter.
      „Also – wem gehört der Hund?“, fragte der Kellner abermals. Er hatte den Sehbehinderten Mann erspäht, trat einen Schritt auf jenen zu und fragte drohend: „Ihnen?“
      „Mir?“, fragte dieser zurück. „Was fällt Ihnen ein, ich habe keinen Hund. Noch brauch’ ich, Gott sei Dank, keinen.“
      „Also – wem?“
      Ein Mann der Besatzung mit Streifen am Ärmel trat hinzu. „Bitte, meine Herrschaften“, sagte er. „Wem von Ihnen gehört der Hund. Nehmen Sie ihn an die Leine, den Schaden vergessen wir. Aber Sie sehen ja, wohin es führt, wenn Tiere frei herumlaufen.“
      Die meisten Zuschauer trollten sich langsam auf ihre Plätze.
      Der eine Matrose entfernte sich, kam aber kurze Zeit später mit einem Enterhaken zurück und wartete offensichtlich nur noch auf einen Befehl, um dem Störenfried zu Leibe zu rücken.
      Von seinem Platz aus konnte Lux nicht allzu viel sehen, aber er hörte. Und die Spitze des Hakens schwang bereits bedrohlich vor seinem Kopf hin und her. Lust, damit in Berührung zu kommen, hatte er nicht im Geringsten. Langsam und devot, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, kroch er unter der Bank hervor, stellte sich nicht auf die Beine, sondern robbte noch ein Stück und blieb, den Kopf zwischen den Vorderläufen, liegen.
      Die das beobachteten, standen verdutzt.
      „Schau an“, murrte dann der Gestürzte und rieb sich Majonäse vom Hosenbein, „jetzt kriecht er zu Kreuze, der Mistkerl.“
      „Ein komischer Hund. Der hat ja einen Wasserkopp“, stellte sein Kollege fest.
      „Und wenn schon“, bestimmte der Vorgesetzte. „Holen Sie einen Strick und binden Sie ihn an. Wir lassen ihn ins Tierheim schaffen, wenn sich nach wie vor kein Besitzer meldet.“ Er sprach laut und schaute noch einmal in

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