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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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waren, versetzt, weil sie beim ohnmächtigen Lux sitzen und anwesend sein wollte, wenn er aufwachte. Als er die Augen öffnete und wie aus einem Nebel Shirleys Gesicht über ihm Konturen gewann, fühlte er sich einen Augenblick glücklich, wieder daheim zu sein.
      Doch dann fielen ihm die Ereignisse der letzten Stunden ein. Und auch ihre ersten Worte trugen dazu bei, dass sich das aufkommende Hochgefühl schnell verlor.
      „Hallo, Lux. Ich freue mich, dass du wieder hier bist. Hast uns Sorgen gemacht“, begrüßte ihn Shirley. „Alles okay, was macht dein Kopf?“
      „Wieso mein Kopf?“, dachte Lux. „Ein bisschen schwindlig“, antwortete er.
      „Ja, leider hat der geschossen, aber wenn du auch beißt!“
      Lux antwortete nicht. Er drehte betont den Kopf zur Seite, so dass er seine Betreuerin nicht anschauen musste.
      „War ja ziemlich aufregend“, fuhr Shirley fort, machte ein Pause und setzte dann zögernd, so als befürchte sie eine schlechte Nachricht, hinzu: „Hast du mit dieser, dieser Wärterin aus dem Tierheim und der Frau Nachtigall – gesprochen?“ Und als er nicht antwortete: „Weißt du, das wäre für uns ein wenig – problematisch…“
      Es war dies der Satz, der Lux frustrierte. Er hätte in diesem Augenblick nicht zu sagen vermocht warum. Nur konnte er sich nicht vorstellen, weshalb es für integre Leute wie Shirley Lindsey und Boris Remikow problematisch sein sollte, wenn er seine mühsam angelernten Fähigkeiten, die angeblich alle Leute um ihn herum mit Stolz erfüllten, auch gegenüber anderen zeigte. Dass er es in diesem Fall aus eigenen taktischen Erwägungen nicht getan hatte, musste doch ausschließlich seine Sache sein.
      „Nein“, antwortete er dann schroff.
      „Was, nein?“ Es klang noch abwartend gespannt.
      „Ich habe nicht mit denen geredet.“
      „Na, Gott sei Dank! Bist eben doch ein Guter.“ Sie tätschelte ihm den Hals.
    Zum ersten Mal empfand Lux ihre Berührung unangenehm.
      „Und, willst du darüber sprechen? Warum bist du geflohen und hast uns Sorgen gemacht?“, fragte Shirley betont zurückhaltend.
      Lux antwortete nicht sogleich. „Kannst du dir das wirklich nicht denken?“, entgegnete er dann abweisend.
      „Eigentlich nicht. Es fehlt euch doch hier an nichts, und es lässt sich über alles reden.“
      „Es fehlt an nichts?“, fragte er hämisch. „Richtig, nur die Antwort auf die Frage: Was wird aus uns? Und wie euch an unserem Wohl gelegen ist, habe ich gesehen, als ihr mich zurückgeholt habt von der alten Frau.“
      „Hätte es dir denn dort gefallen?“, fragte sie mit verwundert warmer Stimme. „Ich kann es mir nicht vorstellen.“
      „Das spielt überhaupt keine Rolle. Jedenfalls braucht sie jemanden. Und wer braucht einen wie mich hier?“ Es klang bitter.
      „Lux, ich habe dir doch gesagt…“
      „Viel, viel hast du mir, hast du uns gesagt. Ich dank’ auch schön! Wir werden ja sehen, was sich in Zukunft tut. Lass mich jetzt in Ruhe. Eure stürmische Begrüßung steckt noch in mir.“
      „Es tut mir leid, Lux.“ Traurig verließ Shirley Lindsey das Zimmer.

    L ux bezog wieder sein altes Domizil, vereint mit Schäffi. Aber dessen Umfeld hatte sich in den wenigen Tagen seiner Abwesenheit verändert: Den Schuppen im Garten hatte man abgerissen und der Mauer eine nach innen gebogene Krause aus Stacheldraht verpasst.
      Eine zweite Neuerung verschaffte den dazugekommenen Mutanten ebenfalls Zugang zum Garten, es wurden artgerechte Spielgeräte für verschiedene Altergruppen aufgestellt, die mehr Abwechslung boten und Kommunikation ermöglichten. Es ging nunmehr lebhafter zu und fröhlicher.
      Lux berührte das nicht.
      Er hatte Schäffi, die sich nach ihren Ausflügen von ihren depressiven Zuständen erholt hatte, ausführlich von seinen Erlebnissen berichtet. Sie kamen beide zu dem niederschmetternden Schluss, dass ihre Betreuer, auch Shirley Lindsey, nichts anderes als egozentrische Heuchler und die von ihnen gezeugten Geschöpfe, also auch Schäffi und er, missbrauchte Kreaturen waren. Wofür man sie gezüchtet hatte, entzog sich noch ihrem Vorstellungsvermögen; auf keinen Fall aber für Partnerschaften mit den Menschen.
      Wenn auch das kurze Erlebnis mit dieser Frau Nachtigall kaum gültige Schlüsse auf einen Dauerzustand zuließ, so hatte Lux darin doch Ansätze für künftig Mögliches gesehen. Doch dann diese brutale Zerstörung jeder Hoffnung. Lux war sich

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