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Chimären

Chimären

Titel: Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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im Klaren, dass die Institutsleitung auch noch Schlimmeres in Kauf genommen hätte, um seiner wieder habhaft zu werden – zum Beispiel wenn Frau Nachtigall bei dem Überfall Ernsteres zugestoßen wäre, was nicht ausgeschlossen schien.
      Langsam reifte in Lux ein Gedanke: Man müsse dem Widerstand entgegensetzen, wobei er sich weder über das Wie noch ein Wofür klar werden konnte. Wie öfter spürte er sein Unvermögen, vorausschauend zu denken. Er weihte Schäffi in diese unausgegorenen Überlegungen nicht ein, aber sie ließen ihn nicht los.
      Lux hatte sein Verhalten gegenüber den Menschen um ihn herum geändert. Auch Schäffi, die nun sein Wissen teilte, gab sich anders als vor Lux’ Ausbruch.
      Sie suchten nicht mehr wie vordem die lebhafte Kommunikation mit Shirley und Boris, entwickelten dafür sehr viel mehr Eigeninitiative, um Wissen anzureichern, das sie intensiv an die Neulinge weitergaben.
      Gegenüber ihren Betreuern gaben sie sich einsilbig, fordernd und manchmal auch renitent. Doch stereotyp und nervend stellten sie wiederholt die Frage, was aus ihnen werden, wie es mit ihnen weitergehen solle.
    A uf dem kleinen Tisch standen eine Rose, zwei Sektgläser und eine noch nicht entzündete Kerze. Manuel hatte auf der Couch gesessen und gelesen.
      Als er Shirley kommen hörte, stand er auf und empfing sie im Flur, umarmte sie und sagte: „Endlich. Da bist du ja. Stell’ dir vor, auf der Party heute hatte ich Kontakt mit dem Geschäftsführer der neuen Chipfabrik. Der hat mir einen größeren Auftrag für das neue Verwaltungsgebäude in Aussicht gestellt. Ist das nicht toll? Schade, dass du nicht dabei warst.“
      „Ich bin so froh“, entgegnete Shirley. „Er ist wieder da.“
      Manuel stutzte, benötigte Sekunden, um zu begreifen. Die Freude wich aus seinem Gesicht. „Ach ja? Schön für euch.“ Er ließ Shirley los, ging ins Wohnzimmer und räumte die Sektgläser in die Vitrine.
      Shirley kam nach. „Lux wirkt verändert, aber das gibt sich sicher. Zu befürchten brauchen wir nichts. Als Wundertier ist er nicht aufgetreten, nicht nennenswert jedenfalls.“
      „Schön für euch“, wiederholte Manuel. „Ich bin müde. Schlaf dann gut!“ Und er ging ins Schlafzimmer.
      Erst jetzt fielen Shirley die einsame Rose und die Kerze auf. Und sie bemühte sich vergeblich zu erinnern, was Manuel zur freudigen Begrüßung ihr mitgeteilt hatte, als sie nach Hause kam.

    In den vergangenen Tagen, als Lux verschwunden war, hatten Manuel und Shirley nur selten Gelegenheit, sich zu sprechen. Der Mann vollendete die Arbeiten in der Galerie; sie kam spät nach Hause, abgespannt und niedergeschlagen wegen der Ungewissheit um Lux. Sie mied auch bewusst das Thema, weil sie Manuels Abneigung gegen diesen Teil ihrer Tätigkeit auf keinen Fall heraufbeschwören wollte.
      Selber fühlte sie sich verunsichert und voller Zweifel. Wie sollte man Lux’ Flucht einordnen, wie sich ihm gegenüber verhalten, nun er wieder da ist? Welche Konsequenzen müssen gezogen werden, falls die Medien auf Dauer nicht fern gehalten werden konnten? Insbesondere aber war sich Shirley nicht mehr ihrer eigenen Haltung sicher. Der depressive Zu stand Schäffis, Lux’ Stellung dazu, schließlich seine Flucht, die nichtssagenden, hinhaltenden Aussagen Lehmanns zum Werdegang der Canismuten und schließlich die niederschmetternde Reaktion Manuels. Teufelin hatte er sie genannt.
      Der Großversuch, er hätte erst gar nicht angefangen werden dürfen. Und selbst die Zeugung von Lux, Schäffi und den anderen erschien Shirley auf einmal fragwürdig.
      Shirley empfand die Zwangslage, in die sie geraten war, ein Herauskommen schien aussichtslos. Jetzt die Früchte einer gewagten, möglicherweise völlig ins Abseits führenden Forschung abwerfen? Es wäre nunmehr Mord im Sinne der Gesellschaft, Mord, Massenmord. Ganz abgesehen davon, dass sie die Kreaturen lieb gewonnen hatten.
      Nein, einen so genannten Moralischen bekam Shirley Lindsey bei solchen Überlegungen nicht. Zu diesem Thema teilte sie weitgehend Lehmanns Ansichten. Aber die Verantwortung über Lebewesen im geistigen Stadium von jugendlichen Menschen, jedoch in ihrer Hundegestalt unüberbrückbar weit von diesen entfernt, bedrückte sie maßlos. Sie hätte es sich einfach machen und die Zuständigkeit Lehmann überlassen können. Aber es waren die Ergebnisse ih rer Arbeit, ihrer Forschung, die da im Institutsgarten herum tollten. Und nicht zuletzt hat

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