Chimären
über der Schnauze in unnatürlicher Weise, bildeten gleichsam eine breite Stirn, die sich in einem Haupthaarbewuchs fortsetzte, der, wie dieser gesamte Kopf, nicht zum Körper passen wollte.
Susan Remp zählte nicht gerade zu den furchtsamen Naturen. Nicht übermäßig, aber in überschaubaren Abständen trieb sie Sport: Schwimmen und Tennis; sie saunierte regelmäßig und unternahm gemeinsam mit ihrem Freund ausgedehnte Fußmärsche.
Pragmatisch eingestellt und angesichts der drohend gefletschten Zähne entschloss sie sich, nachdem sie sich vom Schreck ein wenig erholt hatte, zunächst keinen Widerstand zu leisten. Sie setzte sich.
„Und jetzt gib sofort Folgendes an alle eure Niederlassungen und Außenstellen per eMail auf: ‚Es sind unverzüglich…’“
„Augenblick, Mann!“ Susan Remp hatte sich endgültig gefangen. „Ich muss ja wohl den Computer erst einschalten!“
Ihr Gesprächspartner knurrte, fuhr sich mit der linken Vorderpfote über die Schnauze, sichtlich ungeduldig. „Schreib!“, befahl er dann, als der Cursor blinkte. „Es sind sofort alle Canismuten gegen Tollwut zu impfen, sofort. Ich erwarte Empfangsbestätigung, Doktor Lehmann.“
Susan Remp zögerte. „Aber es ist keine Tollwut angezeigt!“
„Halt’s Maul, schreib!“
„Wenn nicht?“
Einer der Dobermänner kam behände um den Schreibtisch herum zeigte die Zähne und knurrte bedrohlich.
„Okay, okay!“ Susan Remp schrieb, zögerte mit dem Absenden in der Annahme, die Eindringlinge wären im Umgang mit Computern möglicherweise nicht perfekt.
„Sofort absetzen!“, herrschte der Sprecher.
Susan Remp betätigte die Taste. „Und jetzt?“, fragte sie.
„Du kommst mit!“
Die Frau durchfuhr erneut ein Schreck. „Das kann nicht dein Ernst sein!“ rief sie.
Abermals war ein gefährliches Knurren neben ihr.
„Wohin?“, fragte sie nun ernsthaft besorgt.
„Wirst du schon sehen. Red’ nicht, komm jetzt. Wir haben nicht ewig Zeit.“
Susan Remp fühlte die kalte Schnauze an ihrem Oberschenkel. Da raffte sie ihre Umhängetasche, machte wenige Schritte um den Schreibtisch herum und sah plötzlich ihre Chance: Die Tür stand offen, und sie schwenkte nach innen. Schlüge sie zu, dürfte es den dreien nicht leicht fallen, sie zu öffnen – so Susans flüchtiger Gedanke. Mit einem überraschenden Satz sprang sie in den Korridor. Der Wächter neben der Tür reagierte Bruchteile von Sekunden zu spät. Susan Remp zog das Blatt an und schmetterte es ins Schloss.
Drin ein mehrstimmiges Aufheulen. Gleich darauf spürte die Frau Druck auf die Klinke, die sie, während sie fieberhaft einen nächsten Schritt überlegte, krampfhaft fest hielt.
Auf der anderen Seite krachte ein schwerer Körper gegen die Tür, dass diese erzitterte. Aber es hörte sich an, als ob sie noch mehreren Schlägen standhielte. Ein wütendes Knurren folgte. Ohne Zweifel würden die drei herausstürzen, sobald Susan die Klinke frei gab. Und keinen Gegenstand erspähte sie in der Nähe, mit dem der Türgriff zu fixieren gewesen wäre.
Aus dem Zimmer drang das Geräusch von splitterndem Glas. Dann hub ein ohrenbetäubendes Bellgetöse an, das sich Susan zunächst nicht erklären konnte, bis sie entferntere Antwort vernahm. ,Die rufen Hilfe, verdammt! Die drei sind nicht allein.’ Dann der Gedanke: ,Wenn sie bellen, befassen sie sich nicht mit der Tür!’ Sie rannte die zehn Meter zur Treppe, sprang die beiden Absätze hinab, stieß die Portalflügel auf und sprintete zum Auto, das mit noch wenigen anderen in nicht mehr als 30 Metern Entfernung stand.
Von zwei Seiten preschte es fast lautlos auf sie zu. Nur der Kies knirschte unter den dahinfliegenden Pfoten.
Susan Remp wusste: Keine Chance, den Wagen zu erreichen. Sie rannte dennoch.
Dann spürte sie das Zerren an der Kleidung und einige heftige Stöße an die Schulter. Sie stürzte, versank in einem Knäuel von braunen, schwarzen und gefleckten Leibern, wurde von nassen, kalten Schnauzen berührt, hörte das Reißen von Stoff, und sie fühlte schmerzhaft die Zähne.
Dann trat unvermittelt Ruhe ein.
Susan Remp lag auf dem Rücken. Unmittelbar vor sich erblickte sie ein Stück Hundekopf, einen hellen Fellfleck, und um den Hals spürte sie einen stechenden Druck. Sie wusste, dass ein klaffendes Maul ihre Kehle umschloss.
„Lass sie los!“, ertönte da die bekannte Stimme. Es klang
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