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Chindi

Chindi

Titel: Chindi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Anders.«
    George hatte sich einen Weg vor den Pilotensitz gebahnt und versuchte, einen Blick auf die Konsole zu werfen. »Wie lange steht das Ding wohl schon hier, was meinen Sie?«
    Das war eine große Frage. Ein luftloser Mond machte die Antwort nicht gerade leichter. Die Fähre konnte vor ein paar Wochen oder auch vor hunderttausend Jahren hier abgestellt worden sein.
    »Ich habe eine Idee«, sagte Hutch, kletterte auf einen der hinteren Sitze und beäugte ein Seitenfenster. »Mal sehen.« Sie durchquerte die Kabine, lehnte sich aus der Luftschleuse und winkte Nick herbei. »Helfen Sie mir hoch.«
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Auf das Dach.«
    Sie kletterte auf Nicks Schultern. Er blieb am Ende der Luftschleuse stehen, während sie auf dem Dach herumtastete, einen Antennensockel entdeckte und sich auf die Kabine zog. Auf dem Dach lag der Staub mehrere Zentimeter dick.
    »Was machen wir denn da?«, fragte George, ohne sich die Mühe zu machen, seinen Ärger zu verbergen.
    »Wir reinigen die Fenster.« Sie zog die Weste aus und ging zur Vorderseite des Raumfahrzeugs, bis sie die Frontscheibe erreicht hatte. Dabei stand sie beinahe über dem Abgrund. Der Anblick musste schwindelerregend sein, dachte Nick, zumal die geringe Schwerkraft ihm die Illusion vermittelte, fliegen zu können.
    Hutch ließ sich auf ein Knie nieder, hielt sich an der Antenne fest, um nicht herabzustürzen, und fing an, die Fenster abzuwischen. Als der schlimmste Schmutz entfernt war, strich sie langsam mit der flachen Hand über die Oberfläche. Sie war uneben, voller kleiner Vertiefungen und Kratzer, verursacht durch die Staubkörnchen.
    Sie kletterte wieder hinunter. »Der Solarwind fegt konstant über den Mond«, sagte sie. »Vermutlich ziemlich unveränderlich, also können wir ihn als Konstante nehmen. Damit wird die Analyse nicht absolut verlässlich ausfallen, aber ich denke, darüber dürfen wir getrost hinwegsehen.«
    »Gut«, sagte Nick, überzeugt, bereits zu wissen, worauf sie hinauswollte.
    »Wir brauchen Nahaufnahmen für die Analyse. Von jedem Fenster der Fähre. Während wir uns darum kümmern, werde ich Bill anweisen, eine Messung der Stärke des Solarwinds vorzunehmen. Wenn das erledigt ist, wird er auch Details wie Zusammensetzung und Geschwindigkeit ermittelt haben. Und das wird uns gestatten, den Grad der Ätzung zu bestimmen.«
    »Ätzung?«, fragte George.
    »Partikeleinschlüsse in den Fenstern. Die Kunststoffscheiben werden ständig mit Partikeln aus dem Solarwind beschossen. Wir messen sie, betrachten Fluss und Größe und fragen, wie lange es dauert, um diesen Zustand zu erreichen. Die Antwort darauf wird uns verraten, wie lange die Fähre bereits hier oben steht.«
    Während sich Hutch und George um die Aufnahmen kümmerten, kletterte Nick aus dem Vehikel und schlenderte an der Landefähre der Memphis vorbeizum entgegengesetzten Ende des Plateaus, der Seite, an der es sich verjüngte, bis nur noch ein schmaler Streifen übrig war, auf dem wohl niemand freiwillig hätte weitergehen wollen. Dieser schmale Sims schien endlos lang zu sein und verschwand erst nach einer Kurve außer Sicht.
    Nick sah sich zum Haus um. Die Lichter brannten ruhig. Alyx und Tor hatten Lampen aufgestellt. Statt wie Einbrecher durch ein dunkles Haus zu schleichen, saßen sie nun in einem warmen, sanften Licht in einer häuslichen Umgebung, die man ebenso gut am Rande einer Landstraße hätte finden können.
    Der Heilige Abend am abgelegensten Ort der Schöpfung.
    Nach einer Weile kehrte er zu der Landefähre der Memphis zurück. Mit ihren Stummelflügeln erinnerte sie an einen bäuchlings an den Boden gedrückten, überdimensionierten Bulldoggenwelpen, ein reizloses Fahrzeug, auf dessen Rumpf die Aufschrift AKADEMIE FÜR WISSENSCHAFT UND TECHNOLOGIE prangte, obwohl es der Akademie überhaupt nicht gehörte. Jemand hatte einen beleuchteten Kranz in eines der Fenster gestellt, der nun grün, warm und vertraut schimmerte. Nick hatte eine Abneigung gegen Feiertage entwickelt, weil er jegliche religiöse Überzeugung verloren hatte, die er als Kind gehegt haben mochte. Oder vielleicht wegen seines Berufs. Beerdigungen zur Weihnachtszeit hatten sich immer besonders anstrengend gestaltet. Die Angehörigen reagierten ausnahmslos emotionaler, empfanden ihren Schmerz tiefer als zu anderen Zeiten. Ständig fragten die Familien nach dem Warum, und er hatte nie herausfinden können, ob sie wissen wollten, warum geliebte Menschen sterben, oder warum sie es

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