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Chindi

Chindi

Titel: Chindi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Sternen zu reisen.«
    Tatsächlich war es unglaublich stumpfsinnig. Jetzt, da sie sich dieser Realität gestellt hatte, war sie sogar bereit zuzugeben, dass sie selbst eine Art virtuelles Leben geführt hatte. Die meisten Strände, die sie in ihrem Leben besucht hatte, waren elektronischen Ursprungs, ebenso wie die meisten Abende auf einem einsamen Berggipfel, die Spaziergänge durch idyllische Wälder, die Ausflüge auf den Gehwegen der großartigsten Städte der Welt. Ihr ging auf, dass das Gleiche für die meisten anderen Menschen ebenso galt, aber sie verscheuchte den Gedanken sogleich.
    Hutch konnte verstehen, dass ihre Mutter stolz auf sie war, aber sie fühlte sich nicht wohl dabei. Sie war einfach nicht gut darin, sich bescheiden zu geben, wenn sie verdammt genau wusste, dass sie so manche tolle Leistung vollbracht hatte.
    Aber sie konnte sich dem kaum entziehen, also zog sie den Kopf ein und bemühte sich darum, die passenden Reaktionen zu zeigen, während sie gemeinsam ins Haus zurückkehrten. So erklärte sie, dass das alles nichts Besonderes sei, dass sie Glück und eine Menge Hilfe gehabt habe. Das jedenfalls stimmte auf den Punkt.
    Teresa servierte Süßigkeiten und Sprudel, und Hutch beantwortete so gut sie konnte Fragen wie, warum sie eine so außergewöhnliche Laufbahn eingeschlagen hätte, ob sie vorhätte, sich irgendwann in nächster Zeit zur Ruhe zu setzen (ihre Rückzugspläne erwähnte sie mit keinem Wort), und ob es stimmte, dass den Leuten immer schlecht wurde, wenn die Schiffe den Übergang in diese andere Art von Raum vollzogen, wie hieß der doch gleich? Sprungraum?
    »Hyperraum«, berichtigte sie.
    Einer der Gäste war ein Lehrer, und er fragte Hutch, ob sie während des Aufenthalts bei ihrer Mutter vielleicht einmal seine Schule besuchen und vor den Schülern sprechen wollte. »Wir haben viele Schüler«, verkündete er, »die sich freuen würden, Ihre Erlebnisse aus Ihrem eigenen Mund zu hören.«
    Sie stimmte zu, und sie vereinbarten Tag und Uhrzeit.
    Zwei ungebundene Männer, ein Geschichtsprofessor aus Princeton und ein freiberuflich arbeitender Finanzberater, gaben sich alle Mühe, ihr näher zu kommen. Beide sahen auf eine oberflächliche, bodenständige Art gut aus. Klare Züge, reine Haut, zurückgekämmtes Haar, gesunde Zähne. Halte dich zurück, ermahnte sie sich. Hier war Mom am Werk.
    Der Professor wirkte durch ihre Berühmtheit ein wenig eingeschüchtert, was er zu kompensieren suchte, indem er deutlich zu viel lachte. Es fiel ihm sichtlich schwer, seinen Teil zu dem Gespräch beizutragen. Aber er würde sie wirklich gern näher kennen lernen. Ob sie einmal zusammen zu Mittag essen konnten? Der arme Kerl war so nervös, dass er ihr beinahe Leid tat.
    »Das würde ich sehr gern, Harry«, sagte sie. »Aber ich werde nur ein paar Tage hier sein.«
    Der Name des Finanzberaters lautete Rick oder Mick. Sie konnte es sich nicht merken. Er war so tugendhaft, dass es kaum zu fassen war, neigte zu der Ansicht, dass die Nordamerikanische Union auf einen moralischen Kollaps zusteuerte, der sich offenbar in der zunehmenden Zahl der Leute äußerte, die sich aus ihrer Ehe verabschiedeten, sobald sich die erste Gelegenheit dazu ergab. Mit wachsender Begeisterung erinnerte er jedermann an den Untergang Roms und ließ durchblicken, dass er selbst ein dauerhafter, zuverlässiger und höchst dankbarer Partner wäre.
    Er erbot sich, sie anzurufen, doch sie stellte zu ihrem Bedauern erneut fest, dass sie wohl sehr viel Zeit im Weltraum verbringen würde. Sie wünschte, es wäre nicht so. Vielleicht ein anderes Mal.
    Hutch fragte sich, wie es Preach erging, während der Abend sich endlos dahinzog. Als er endlich vorbei war und sie staunend erkannte, dass es nicht einmal neun war, fragte ihre Mutter hoffnungsfroh, wie es ihr gefallen habe, ob sie sich gut amüsiert habe und was sie von den beiden Herren hielte.
    Hutch war ein Einzelkind und folglich die einzige Hoffnung ihrer Mutter, je Enkel zu haben. Das alles legte ihr die düstere Last eines ominösen Schuldgefühls auf die Schultern, aber was sollte sie schon tun? »Ja, Mom«, sagte sie. Und: »Sie waren nett. Alle beide.«
    Neben der Tatsache, dass sie in der Vergangenheit gesprochen hatte, fiel Teresa auch ihr Tonfall auf, und sie seufzte schwer. »Ich denke, ich sollte einfach aufgeben«, stellte sie fest.
    Ursprünglich hatte Hutch ihrer Mutter sagen wollen, dass dies ihr letzter Flug wäre, aber irgendetwas riet ihr, den Mund zu halten.

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