Chocolat
letzte Gang meines Menüs«, erklärte Armande. »Bis dahin werde ich wie ein braves Mädchen regelmäßig meine Medizin nehmen. Ich werde sogar diesen scheußlichen Tee trinken. Ich möchte meinen einundachtzigsten Geburtstag zusammen mit allen meinen Freunden feiern, Vianne. Vielleicht lade ich sogar meine bescheuerte Tochter ein. Wirwerden Ihr Schokoladenfest richtig stilvoll begehen. Und dann …« Ein kurzes, gleichgültiges Achselzucken. »Nicht jeder hat das Glück«, bemerkte sie. »Die Chance, alles genau zu planen, alle Ecken auszufegen. Und noch was –« sie schaute mich durchdringend an. »Kein Wort zu irgend jemandem«, sagte sie. »Niemand darf etwas davon erfahren. Ich werde keine Einmischung dulden. Es ist meine Entscheidung, Vianne. Meine Party. Ich will nicht, daß irgend jemand auf meiner Party anfängt zu weinen oder herumzujammern. Verstanden?«
Ich nickte.
»Versprochen?« Sie sprach mit mir wie mit einem aufsässigen Kind.
»Versprochen.«
Zufriedenheit breitete sich auf ihrem Gesicht aus, wie immer, wenn sie von gutem Essen redete. Sie rieb sich die Hände.
»Dann werden wir jetzt das Menü planen.«
Dienstag, 18. März
Joséphine fiel auf, wie still ich war, während wir gemeinsam in der Küche arbeiteten. Wir haben schon dreihundert Osterschachteln fertig, sauber im Keller gestapelt und mit bunten Schleifen versehen, aber ich möchte doppelt so viele machen. Wenn wir sie alle verkaufen, werden wir einen guten Gewinn erzielen, vielleicht genug, um uns endgültig hier niederzulassen. Wenn nicht – über diese Möglichkeit denke ich nicht nach, obwohl die Wetterfahne mich von ihrem Turm aus laut auslacht. Roux hat bereits mit der Arbeit an Anouks Dachzimmer begonnen. Das Fest ist ein Risiko, aber unser Leben ist schon immer von solchen Dingen bestimmt gewesen. Und wir scheuen keine Mühe, umdem Fest zu einem Erfolg zu verhelfen. Überall in den Nachbarorten, sogar in Agen habe ich Plakate aufhängen lassen. In der Osterwoche wird täglich im Radio für das Fest geworben. Es wird Musik geben – ein paar alte Freunde von Narcisse haben eine Kapelle gegründet –, Blumen und Spiele. Ich habe mit einigen der Händler gesprochen, die donnerstags immer auf dem Markt stehen, und es wird ein paar Stände auf dem Dorfplatz geben, wo man Modeschmuck und Andenken kaufen kann. Wir werden eine Ostereiersuche für die Kinder veranstalten, angeführt von Anouk und ihren Freunden, und es gibt cornets surprise für jeden Teilnehmer. Und im Schaufenster von La Céleste Praline wird eine riesige Schokoladenstatue von Eostra stehen, in der einen Hand einen Maiskolben und in der anderen einen Korb mit Ostereiern, die an alle, die mit uns feiern, verteilt werden. Nur noch zwei Wochen. Von den zarten Likörpralinen, den Rosenblättern aus Schokolade, den in Goldfolie verpackten Münzen, den kandierten Veilchen, den Kirschpralinen und den Mandelsplittern machen wir jeweils fünfzig Stück und legen sie dann zum Auskühlen auf gefettete Bleche. Große Eier und Tierfiguren aus Hohlschokolade werden vorsichtig geöffnet und mit kleinen Pralinen und Trüffeln gefüllt. Es gibt Nester aus gesponnenen Karamelfäden mit Zuckereiern, auf denen eine dicke Schokoladenhenne thront; gescheckte Hasen, mit gebrannten Mandeln gefüllt, stehen in Reih und Glied bereit, um eingewickelt und in Schachteln verpackt zu werden; ganze Herden von Marzipantieren marschieren über die Regalbretter. Das gesamte Haus ist erfüllt vom Duft nach Vanille und Cognac und karamelisierten Äpfeln und Bitterschokolade.
Und nun muß auch noch Armandes Party vorbereitet werden. Das Festessen wird am Karsamstagabend um neun Uhr beginnen, dem Vorabend des Schokoladenfests, und um Mitternacht will sie ihren Geburtstag feiern. Ich habe eine Liste mit allem, was sie aus Agen bestellen will – foie gras , Champagner, Trüffel und frische chantrelles aus Bordeaux, Meeresfrüchte vom Fischhändler in Agen. Für Kuchen und Pralinen werde ich selbst sorgen.
»Das wird bestimmt eine tolle Party«, meint Joséphine begeistert, als ich ihr von Armandes Vorhaben erzähle. Ich darf das Versprechen nicht vergessen, das ich Armande gegeben habe.
»Sie sind eingeladen«, erkläre ich ihr. »Das hat sie mir ausdrücklich gesagt.«
»Das ist aber nett«, sagt Joséphine hocherfreut. »Alle sind so nett zu mir.«
Erstaunlicherweise ist sie überhaupt nicht verbittert, sondern stets bereit, die Freundlichkeit anderer anzunehmen. Selbst Paul-Marie hat
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