Chocolat
die darunter leidet, daß Madame Rocher sich überall mit gutgemeinten Ratschlägen einmischt«, sagte ich. »Sehen Sie sich doch bloß einmal an, was sie alles in wenigen Wochen ausgelöst hat.«
Caroline schniefte.
»Gut gemeint! Sie sind wirklich zu liebenswürdig, Vater«, höhnte sie. »Sie ist bösartig, lassen Sie sich das von mir gesagt sein. Sie hätte meine Mutter beinahe umgebracht, sie hat meinen Sohn gegen mich aufgehetzt …«
Ich nickte zustimmend.
»Ganz zu schweigen davon, daß sie die Ehe der Muscats zerstört hat«, fuhr sie fort. »Ich kann mich nur wundern, wieviel Geduld Sie immer wieder aufbringen, Vater.« Ihre Augen funkelten haßerfüllt. »Es wundert mich, daß Sie Ihren Einfluß noch nicht genutzt haben.«
Ich zuckte die Achseln.
»Ach, ich bin nur ein Dorfpfarrer«, erwiderte ich. »Ich besitze keinen nennenswerten Einfluß. Ich kann etwas mißbilligen, aber –«
»Sie können wesentlich mehr tun, als etwas zu mißbilligen«, fauchte Caroline. »Wir hätten von Anfang an auf Sie hören sollen, Vater. Wir hätten sie nie im Dorf dulden sollen.«
Ich hob die Schultern.
»Im nachhinein ist man immer schlauer«, sagte ich. »Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie anfangs auch gern in ihren Laden gegangen.«
Sie errötete.
»Nun, wir könnten Sie unterstützen«, schlug sie vor. »Paul Muscat, Georges, die Arnaulds, die Drous, die Prudhommes … Wir könnten uns zusammentun. Noch mehr Verbündete suchen. Wir könnten dafür sorgen, daß sich schließlich alle gegen sie verschwören.«
»Aus welchem Grund? Die Frau hat kein Gesetzgebrochen. Es wäre nichts als üble Nachrede, und am Ende hätten Sie nichts gewonnen.«
Caroline lächelte böse.
»Auf jeden Fall können wir ihr großartiges Fest ruinieren«, sagte sie.
»Ach ja?«
»Natürlich.« Die Wut machte sie häßlich. »Georges kommt mit vielen Leuten zusammen. Er ist sehr wohlhabend. Auch Muscat hat einen gewissen Einfluß. Er hat mit vielen Leuten zu tun, und er besitzt Überzeugungskraft. Im Gemeinderat zum Beispiel …«
Das stimmt. Ich muß an seinen Vater denken, den Sommer, als die Zigeuner schon einmal hier waren.
»Wenn sie bei dem Fest Verluste macht – und wie ich höre, hat sie bereits ziemlich viel in die Vorbereitungen investiert –, dann wird sie vielleicht genötigt sein –«
»Vielleicht«, erwiderte ich freundlich. »Ich kann mich natürlich nicht offiziell daran beteiligen. Es könnte einen … unchristlichen Eindruck machen.«
An ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich, daß sie mich genau verstanden hatte.
»Selbstverständlich, Vater.« Ihre Stimme klingt eifrig und gehässig. Einen Augenblick lang empfinde ich tiefe Verachtung für sie, wie sie schnauft und schwitzt wie eine läufige Hündin, aber mit Hilfe von solchen verabscheuungswürdigen Werkzeugen gelingt es uns doch immer wieder, unser Werk zu tun.
Sie, mon père , müßten das am besten wissen.
Freitag, 21. März
Das Dach ist fast fertig. Der Putz ist hier und da noch feucht, aber das neue Fenster, rund und mit Messingbeschlägen wie ein Bullauge, ist eingebaut. Morgen will Roux die Dielen verlegen, und wenn sie abgezogen und versiegelt sind, können wir Anouks Bett in ihr neues Zimmer räumen. Es gibt keine Tür, nur die Falltür und eine Leiter, die mit einem Dutzend Sprossen zu ihr hinaufführt. Anouk ist schon ganz aufgeregt. Immer wieder steigt sie auf die Leiter, steckt ihren Kopf durch die Falltür, beobachtet Roux bei der Arbeit und gibt ihm Anweisungen. Meistens jedoch ist sie bei mir in der Küche und sieht bei den Ostervorbereitungen zu. Jeannot ist auch oft da. Dann sitzen sie zusammen am Küchentisch und reden an einem Stück. Ich muß sie bestechen, damit sie mich ab und zu in Ruhe lassen. Roux ist seit Armandes Kollaps wieder ganz der alte, er pfeift vergnügt vor sich hin, während er Anouks Zimmer den letzten Schliff verpaßt. Er hat seine Arbeit sehr gut gemacht, bedauert allerdings, daß er sein Werkzeug verloren hat. Das von Clairmont gemietete sei minderwertig, sagt er. Er will sich so bald wie möglich wieder eigenes Werkzeug besorgen.
»In Agen gibt es eine Werft, wo man gebrauchte Hausboote bekommen kann«, erzählte er mir heute bei heißer Schokolade und Eclairs. »Ich könnte mir einen alten Kahn kaufen und ihn während der Wintermonate in Schuß bringen.«
»Wieviel Geld würden Sie denn dafür brauchen?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Erst mal vier- oder fünftausend Francs. Kommt drauf
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