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Chocolat

Chocolat

Titel: Chocolat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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Messeläuten klang wie durch Zuckerwatte gedämpft, als einige Kirchgänger mit hochgeschlagenen Mantelkragen herbeigeschlurft kamen, um sich die Absolution erteilen zu lassen.
    Nachdem sie ihre Milch getrunken hatte, packte ich Anouk in ihren warmen roten Anorak und zog ihr trotz ihrer Proteste noch eine wollene Mütze über den Kopf.
    »Willst du wirklich nicht frühstücken?«
    Sie schüttelte energisch den Kopf und nahm sich einen Apfel aus der Obstschale.
    »Wie wär’s mit einem Kuß?«
    Es ist zu einem morgendlichen Ritual geworden.
    Mit einem verschmitzten Lächeln schlingt sie ihre Arme um meinen Hals, leckt mir das Gesicht ab, springt dann kichernd los, wirft mir von der Tür aus einen Kuß zu und rennt auf den Dorfplatz hinaus. Mit gespieltem Entsetzen wische ich mir das Gesicht ab. Sie lacht beglückt auf, streckt mir die kleine Zunge heraus und ruft: »Ich hab dich lieb!«, und dann verschwindet sie, die Schultasche schlenkernd, wie eine rote Luftschlange im Nebel. Ich weiß genau, daß es höchstens eine halbe Minute dauert, bis ihre wolleneMütze in der Schultasche landet, zusammen mit Büchern, Heften und allem, was an die Welt der Erwachsenen erinnert. Einen Moment lang glaube ich fast, Pantoufle hinter ihr herrennen zu sehen, beeile mich jedoch, das unwillkommene Bild gleich wieder zu verscheuchen. Ein plötzliches Gefühl des Verlassenseins überkommt mich – wie soll ich den Tag nur ohne sie überstehen? –, und ich muß mich beherrschen, um sie nicht zurückzurufen.
    Sechs Kunden heute morgen. Einer davon ist Guillaume, er kommt gerade vom Fleischer und hat ein in Papier gewickeltes Stück boudin in der Hand.
    »Charly liebt Blutwurst«, erklärt er mir mit ernster Miene. »Er hat in letzter Zeit keinen rechten Appetit, aber die frißt er bestimmt.«
    »Vergessen Sie nicht, selber auch etwas zu essen«, ermahne ich ihn freundlich.
    »Bestimmt nicht.« Er lächelt entschuldigend. »Ich esse wie ein Scheunendrescher. Ehrlich.« Plötzlich schaut er mich betroffen an. »Im Moment ist natürlich Fastenzeit«, sagt er. »Aber Tiere sind doch sicherlich nicht an das Fastengebot gebunden, nicht wahr?«
    Ich schüttele den Kopf über seinen gequälten Gesichtsausdruck. Sein Gesicht ist klein und feingeschnitten. Er gehört zu der Sorte, die ein Plätzchen in zwei Hälften brechen und eine davon für später aufheben.
    »Ich finde, Sie sollten alle beide besser für sich sorgen.«
    Guillaume krault Charly hinter den Ohren. Der Hund wirkt teilnahmslos und kaum interessiert an dem Inhalt des Päckchens vom Fleischer, das neben ihm in einem Einkaufskorb liegt.
    »Wir kommen ganz gut zurecht.« Sein Lächeln kommt genauso automatisch wie die Lüge. »Wirklich.« Er trinkt seine Tasse chocolat espresso aus.
    »Köstlich«, sagt er wie immer. »Kompliment, Madame Rocher.« Ihn aufzufordern, mich Vianne zu nennen, habe ich längst aufgegeben. Sein Gefühl für Anstand undHöflichkeit verbietet es ihm. Er legt das Geld auf die Theke, tippt zum Gruß an seinen Hut und öffnet die Tür. Charly rafft sich auf und folgt ihm wankend. Kaum sind sie aus der Tür, sehe ich, wie Guillaume ihn wieder auf den Arm nimmt.
    Mittags bekamen wir noch einmal Besuch. Ich erkannte sie sofort, trotz des unförmigen Männermantels, den sie immer trägt; das pfiffige Winterapfelgesicht unter dem schwarzen Strohhut, der lange, schwarze Rock über den schweren Stiefeln.
    »Madame Voizin! Sie hatten versprochen, einmal vorbeizuschauen, nicht wahr? Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    Mit leuchtenden Augen sah sie sich bewundernd im Laden um. Ich spürte, wie sie alles genau betrachtete. Ihr Blick fiel auf Anouks Getränkekarte:
    Chocolat chaud 10 F
    Chocolat espresso 15 F
    Chococcino 12 F
    Mocha 12 F
    Sie nickte anerkennend.
    »Es ist schon Jahre her, daß ich so etwas getrunken habe«, sagte sie. »Ich hatte schon fast vergessen, daß es solche Läden überhaupt gibt.« In ihrer Stimme liegt eine Energie, in ihren Bewegungen eine Bestimmtheit, die ihrem Alter zu widersprechen scheinen. Ihre Mundwinkel verraten eine Schalkhaftigkeit, die mich an meine Mutter erinnert. »Früher habe ich mit Vorliebe Schokolade getrunken«, verkündete sie.
    Ich schenkte ihr eine große Tasse Mokka ein und gab einen Schuß Cognac hinzu, während sie die Barhocker mißtrauisch beäugte.
    »Sie erwarten doch hoffentlich nicht von mir, daß ich da raufklettere, oder?«
    Ich lachte.
    »Wenn ich gewußt hätte, daß Sie kommen, hätte ich eine

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