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Chocolat

Chocolat

Titel: Chocolat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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sie hingehört. Komisch, sie hat mir gar nicht gesagt, woher sie kommt. Wahrscheinlich aus Paris, oder vielleicht sogar aus dem Ausland. Sie spricht völlig akzentfrei, mit harten Vokalen wie im Norden, eigentlich fast zu akzentfrei für eine Französin, und ihre Augen könnten darauf schließen lassen, daß sie italienischer oder portugiesischer Abstammung ist, und ihre Haut … Aber ich habe sie nicht so genau gesehen. Sie hat gestern und heute den ganzen Tag in der Bäckerei gearbeitet. Sie haben eine riesige orangefarbene Plastikplane vor das Schaufenster gehängt, so daß der ganze Laden aussieht wie ein riesiges Geschenkpaket, und ab und zu sieht man sie oder ihre unbändige kleine Tochter vor die Tür treten, um einen Eimer Putzwasser in den Gully zu schütten oder sich schüchtern mit einem Handwerker zu unterhalten … Sie besitzt ein merkwürdiges Talent, Leute dazu zu überreden, daß sie für sie arbeiten. Ich hatte ihr zwar angeboten, sie bei der Suche nach Helfern zu unterstützen, war jedoch davon ausgegangen, daß sich kaum jemand aus dem Dorf finden würde. Aber heute morgen habe ich gesehen, wie Clairmont ihr in aller Frühe Bauholz brachte, und später kam Pourceau mit seiner Leiter. Poitou hat Möbel geliefert; ich habe ihn einen Sessel über den Dorfplatz tragen sehen, im Gesicht den gehetzten Blick eines Mannes, der nicht bemerkt werden will. Selbst dieses nichtsnutzige Lästermaul Narcisse, der sich im vergangenen November glatt geweigert hat, denKirchhof umzugraben, ist mit seinem Werkzeug zu ihr gegangen, um ihren Garten in Ordnung zu bringen. Heute morgen gegen zwanzig vor neun hielt ein Lieferwagen vor dem Laden. Duplessis, der wie immer um diese Zeit seinen Hund ausführte, kam gerade vorbei, und sie sprach ihn einfach an und bat ihn, beim Abladen zu helfen. Ich konnte sehen, daß er über ihr Ansinnen ziemlich verblüfft war, die Hand, mit der er gerade seinen Hut ziehen wollte, verharrte in der Luft – einen Moment lang war ich mir fast sicher, daß er ihr die Bitte abschlagen würde. Doch dann sagte sie etwas – ich konnte nicht verstehen, was es war –, und ich hörte ihr Lachen quer über den Platz. Sie lacht überhaupt viel und gestikuliert ausgiebig mit den Händen. Das ist wohl auch typisch für eine Städterin. Hier auf dem Land sind wir es gewohnt, daß die Leute reservierter sind, aber ich nehme an, sie meint es gut. Sie hatte sich ein lilafarbenes Tuch nach Zigeunerart um den Kopf gebunden, aber ihr Haar war zum größten Teil darunter hervorgerutscht und voller weißer Farbe. Das schien sie gar nicht zu stören. Duplessis konnte sich später nicht mehr erinnern, was sie zu ihm gesagt hatte, aber er erzählte auf seine übliche zaghafte Art, der Lieferwagen hätte nichts Besonderes gebracht, nur ein paar Kartons, klein, aber schwer, und einige offene Kisten mit Küchenutensilien. Er hat sich nicht danach erkundigt, was sich in den Kartons befand, aber er meinte, was es auch gewesen sein mochte, mit so geringen Mengen könne man in einer Bäckerei nicht viel anfangen.
    Glauben Sie nicht, mon père , ich würde den ganzen Tag nichts anderes tun, als beobachten, was in der Bäckerei vor sich geht. Es ist nur so, daß sie sich genau meinem Haus gegenüber befindet, gegenüber dem Haus, in dem Sie früher gewohnt haben, mon père , vor Ihrer Erkrankung. Seit anderthalb Tagen wird dort unaufhörlich gehämmert und gestrichen und geweißt und geschrubbt, bis die Neugier mich überkam und ich das Ergebnis all der Plackerei sehen wollte. Und ich bin nicht der einzige, der neugierig gewordenist; ich habe gehört, wie Madame Clairmont vor Poitous Bäckerei ein paar Freundinnen wichtigtuerisch von der Arbeit ihres Mannes berichtete; ich hörte sie von roten Fensterläden erzählen, bis sie mich bemerkte und in einem verschwörerischen Flüsterton weiterredete. Als ob mich das alles interessierte. Die Neue sorgt auf jeden Fall für Klatsch. Ich bemerke immer wieder, wie die orangefarbene Plastikplane einem in unerwarteten Augenblicken aufs neue ins Auge sticht. Das verhängte Fenster erinnert an ein riesiges Bonbon, das darauf wartet, ausgewickelt zu werden, wie ein Überbleibsel des Karnevalsumzugs. Die leuchtende Farbe und die Art und Weise, wie die Falten der Plane das Sonnenlicht reflektieren, haben etwas Beunruhigendes; ich bin froh, wenn die Arbeiten beendet sind und der Laden wieder wie eine normale Bäckerei aussieht.
    Die Schwester schaut zu mir herüber. Sie glaubt, ich

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