Cholerabrunnen
weiß er, brach man wenigstens den Balkon am Stadion ab, auf dem er seine Reden an die Welt schmetterte. Dabei… war damals an Krieg noch nicht zu denken. Zum Glück, muss er sich eingestehen. Aber…
Ach was, die Zeiten sind es nicht allein, die so verrückt waren. Es sind die Menschen. Und er verflucht sich, weil er hier ist.
Warner zieht an seiner Zigarette. Der Arzt verbot ihm das Rauchen. Er solle lieber Kaugummi kauen und seinetwegen könne er sich auch jeden Tag einen Burger oder gar mehr leisten. Wird er fett, würde er es schon bemerken und sich wieder mäßigen. Das Rauchen aber, das ist sein sicherer Tod. Gerade mit dem vielen Teer in der Lunge. Wie der dahinein kommt? Zwei Schachteln… am Tag… das war einmal sein Maß. Und er fühlte sich nicht einmal schlecht dabei. Nur der ewige Husten am Morgen… nein, nein, der ist nicht gut. Blut spuckte er und dachte an Lungenentzündung, Krebs und so weiter, aber man beruhigte ihn… es sei nur der schleichende Tod… hahaha!
Er wirft die eine Kippe weg und holt die nächste hervor. Nein, er dreht nicht selbst. Und nein, er benutzt keine Filter. Ihm doch egal. Die paar Jahre, die er noch lebt, will er wenigstens leben und nicht auf das verzichten, was er schon immer tat.
Da kommt der Dritte im Bunde. Bauer heißt er. Sieht eher aus wie einer, der nicht zupacken kann. Er las seine Akte flüchtig. Man hat ja auch nicht viel über ihn. Besser oder nicht? Der soll gefährlich sein, weil er eben so verschwiegen ist. Meist bewahrheiten sich solche vorauseilenden Einschätzungen gar nicht.
„Herr Bauer, endlich!“
Er begrüßt ihn und der Angesprochene wundert sich, wer ihm da plötzlich die Hand entgegenstreckt. Da Mauersberger nickt, greift er zu und tut so, als träfe er einen langjährigen Freund, gar einen, der einst neben ihm auf der Schulbank saß. Das wiederum lässt Warner zucken… was ist hier los? Haben die alle keine Angst? Der tritt auf, wie einer, der noch nie etwas Falsches tat… na ja, nachweisbar ist ihnen bisher nichts.
„Gut… alle da?“
Der Russe hat es eilig. Nein, er will erst hier reden. Vielleicht ergibt sich da einiges. Im Hotel ist man auch noch nicht fertig, muss Vorbereitungen abschließen. Hier… ging es schnell.
Er lässt den Blick über den Brunnen und seine Eingrenzung schweifen. Er weiß, wohin er zu sehen hat. Die Kollegen können nur an bestimmten Stellen arbeiten. Das liegt nun einmal in der Sache selbst.
Aha… da sieht er sie. Eine zumindest. Wo ist der Empfänger? Er schaut sich um. Ein unscheinbarer Wagen meist. Oder ein Eisverkäufer, der ewig damit beschäftigt ist, seinen Stand in Ordnung zu bringen, dabei niemandem zur Verfügung steht.
Er schluckt. Nichts. Wo stehen die?
Dann endlich wird er ruhiger. Ein Bus. Da drüben. Der Kollege hinter der spiegelnden Scheibe scheint ihm ein verstohlenes Zeichen zu geben. Gut, dann ist alles in Ordnung. Er gibt das Zeichen zurück und alle sechs treten gemeinsam näher an den Brunnen.
In Langley ist es tiefe Nacht. Trotzdem arbeiten die Labors und die verschiedenen Studios wie immer auf Hochtouren. Hier gilt kein Ablauf der Zeiten, wie sie draußen durch die Sonne bestimmt werden. Der Feind, sagt man sich, der schläft auch nicht und jeder Tag ist eben einer zu viel. Wofür auch immer.
Barrent schaltet die Monitore ein und sieht darauf bald die verschiedenen Audiowellen. Er hat heute Deutschlanddienst, und auch wenn sonst nicht all zu viel dort los ist, wird er heute zu tun haben. Na, das ist eben so, wenn sich verschiedene Geheimdienste für ein und dieselbe Sache interessieren. Für ihn bedeutet das lediglich, ordentlich aufzeichnen, mal die Mikros per Fernsteuerung nachregeln und den Kollegen vor Ort Hinweise geben, welche Personen noch zusätzlich überwacht werden sollten. Natürlich bedeutet das dann, zuhause und an anderen täglich oder öfter aufgesuchten Orten. Er nimmt zwar nicht an, dass, aufgrund der Lage, dies hier notwendig wird, aber wenn sich schon die Russen und die Israelis einschalten, gerade die Letzten, die sich nie gern mit den Deutschen beschäftigen, wenn sie nicht allein handeln dürfen, da muss schon etwas im Busch sein. Was? Er kennt nur die grobe Akte. Zu viel Wissen, sagte ihm mal sein erster Chef, trübt nur die Sinne und schafft Situationen, in denen man glaubt, die Antwort zu kennen, und doch… gar nichts weiß, in Vorurteilen untergeht. Er will so etwas nicht. Er darf sich auch keinerlei Schwachheiten leisten… die
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