Cholerabrunnen
vermasselt es nicht.
Da kommt ein Mercedes. Lang gestreckt. Schöne Farbe… freundliches Schwarz. Er mag diese Wagen… sie sind ein Zeichen dafür, dass jemand es schaffte… und doch zur Zielscheibe wurde. Wer sollte sich denn sonst um solche Schwachheiten, wie Panzerglas und eine dermaßen schwere Karosse kümmern, dass man gar die Reifen nicht nur wegen möglicher Treffer, sondern auch wegen des Wagengewichtes ganz anders gestalten musste?
In Russland fahren nun schon einige solche Wagen. Nein, keiner gleicht dem anderen. Man kann und darf sich das Grundmodell und gar einigen Luxus darinnen aussuchen. Dann beginnen die darauf spezialisierten Firmen mit dem Umbau. Eine Heidenarbeit. Und am Ende auch noch sehr teuer… doch es lohnt sich, wenn man es schafft, den Wagen noch zu erreichen oder vor dem Verlassen zu erkennen, welche Art Gefahr gerade auf den Besitzer lauert.
Er ließ sich einmal von einem Konstrukteur erklären, dass die Hälfte dieser Wagen wirklich Leben retten. Der Rest ist zum Schutz da. Er findet, das ist kein schlechter Schnitt. Zumal ein Wirtschaftszweig, zwar klein aber vorhanden, gut davon leben kann. Und Autos werden immer noch verkauft. Zwar derzeit nicht zu viele. Irgendwann… ändert sich das wieder. Jedes Auto wird einmal alt. Es dauert länger oder kürzer. Manche Fehler werden extra eingebaut, um den Lebenszyklus zu verkürzen. Er schluckt noch einmal und sieht dem Herrn entgegen, der den Wagen verlässt. Er mustert ihn mit seinem geübten Blick, der gleich an seinen Hüften, aber auch unter den Schultern entlangwandert. Der Kerl fährt eine gepanzerte Limousine… und trägt keine Waffe? Leibwächter? Nicht zu erkennen. Der Chauffeur fährt weiter, als der Besitzer den Wagen verließ. Wo er parkt? Vielleicht in der Tiefgarage des Hotels? Der Mann sieht alt aus. Vielleicht schloss er mit seinem Leben ab? Wer weiß? Er macht jedoch einen netten Eindruck. Das hat zwar nichts weiter zu sagen, denn er hatte auch schon Befehl, eben solche nette Menschen zu töten. Ein Hindernis war deren Aussehen für ihn nie.
Begin lehnt lässig am Brunnen. Mauersberger reichte ihm die Hand, er sah ihm erst ins Gesicht und dann auf eben diese Finger, die er anfassen sollte. Wie soll er auseinanderhalten, wer von denen ein Täter ist? Nach den Familiengesetzen sind sie es alle… und die zählen für ihn, auch wenn die Knesset längst darauf verzichtet, nur noch die wahren Täter als solche ansieht. Und diese hier schienen ja in diesem Land, in dieser Zeit eine Straftat nach der anderen zu begehen. Es ist… und bleibt… ein Jammer!
Er greift zu. Der hochgewachsene, alte Mann mit den immer noch grau melierten Haaren schaut ihn an. Er bemerkte das Zögern. Er kann es sogar verstehen, aber er achtet nicht darauf, weil es um anderes geht, als nur um Befindlichkeiten zwischen Deutschen und Israelis… Ob der Deutsche weiß, dass Begin ebenfalls deutsche Wurzeln hat? Seine Mutter… sie lebte in diesem Land. Und sie… nein, er denkt an Levi. Dessen Schicksal war schlimmer, denn seine Eltern überlebten, konnten fliehen, ohne es wie eine Flucht aussehen zu lassen. Sie reisten einfach aus, hatten eine Geschäftsreise vor und blieben in Übersee, ehe sie nach Israel kamen… als es eben endlich zu existieren begann… wieder einmal zu existieren begann.
Dort sieht er noch einen der Gruppe kommen. Der war einmal in München ein wichtiger Mann, vertrat einen Inselstaat und heimste dafür Unmengen von Ehrungen ein, ehe er sich zur Ruhe setzte und… hier wieder auftauchte.
Dieser Mann, erfuhr er, ist der Enkel von einem Sturmbannführer, der allein schon für die brutale Ermordung so vieler in einem Konzentrationslager verantwortlich war. Und der Kerl überlebte auch noch, beschloss seinen Lebensabend unbehelligt in der alten Bundesrepublik in einem guten Seniorenheim, wurde gar vom Staat unterstützt, weil er eine dumme Kriegsverletzung hatte, die ihn zwang, im Rollstuhl zu sitzen.
Diese Welt ist… verrückt. Er mag es nicht glauben. Und der Enkel steht nun hier und verbündete sich mit so einem… anderen Schlächter, der auf seinen Vater blicken kann und dabei sicher sagt, dass er alle hohen Orden des Dritten Reiches für sich vereinnahmen konnte. Mörder… allesamt. Und mit denen soll er verhandeln?
Er sieht über den weiten Platz zur Oper hinüber. Die ist schön. Und doch wurde da schon Wagner gespielt, als Hitler Dresden besuchte. Man baute wieder die Königsloge ein, wo er saß… In Berlin,
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