Cholerabrunnen
Schlüssel holt, spricht Behringer mit Wagners.
„Was soll das hier, Herr Kommissar? Was wollen Sie damit erreichen? Also, ich kenne das alles nicht!“
Natürlich nicht. Doch… wenn er ihnen da drinnen die Geschichte erzählt, ihnen klar macht, zu was Mutschmann und seine Männer damals allein im Baugeschehen fähig waren, dann begreifen sie vielleicht, dass der Tod von Marcus etwas mit eben diesem angeblichen Familienmitglied zu tun haben könnte.
„Erinnern Sie sich noch an die Stimme des Anrufes, Frau Wagner?“
Die zieht die Augen hoch. Sebastian, ihr noch lebender Sohn, hält sie, denn er hat Angst, dass sie gleich der Schmerz übermannen könnte, aber sie schiebt ihn sanft von sich.
„Ja, ähm… vielleicht hätte ich nie etwas von dieser Offenbarung meines… meines Vaters sagen sollen?“
Sie stockte. Akzeptiert sie die seit dessen Tod entstandene Wende oder kann sie sich nicht vorstellen, der Mann, der sie aufzog, wäre nicht wirklich ihr Vater?
„Gut… mag sein. Es ist aber geschehen.“
Sebastian Wagner braust auf.
„Wer sagt Ihnen denn, dass der Mord an Marcus auch nur etwas mit diesem… diesem alten Nazi zu tun haben kann?“
Niemand, gibt sich Behringer zu. Das ist jedoch der einzige Strohhalm, den sie derzeit haben. Wurde der ausreichend ausgeschlossen, kann er weitersuchen. Oder sie haben schon die Lösung.
„Hier, sorry, ist etwas verstaubt… na ja, brauchte man ja auch nicht. Wenn der passt… nein, ich fresse keine Besen. Mag ich nicht. Wäre aber… ich muss anrufen, das melden!“
Behringer hält ihn zurück.
„Erst schauen wir nach. Dann können Sie mit alledem machen und tun, was auch immer in Ihrem Arbeitsvertrag für solche Fälle steht. Also, schließen Sie bitte auf!“
Der Schlüssel, wirklich geformt wie ein ‚Z’ am Bart, passt in das Loch. Es ertönt ein leises Zischen, als die Tür von ihnen weg ins Unbekannte schwingt. Dann sehen sie in ein unheimlich dunkles Loch.
„Ja, ähm… Taschenlampen… habe ich oben. Ich…“
Licht flammt auf, zittert zwar, aber beleuchtet einen lang gestreckten Raum mit einigen Ausbuchtungen an den Seiten. Der Boden wirkt glatt, wurde nur an manchen Stellen beschädigt. Sicher ist die letzte Begehung keine dreißig und mehr Jahre her, sondern liegt mit Sicherheit in jenen Tagen, als die DDR noch existierte, sich jedoch die Wende abzeichnete. Vielleicht lagerten hier gar Akten, Waffen… was man eben für geheime Vorbereitungen für die Niederschlagung möglicher Aufstände anschaffen musste, seit man die Erfahrungen von 1953 in Berlin oder auch von Prag und seinem besondere Frühling um 1968 machen musste. Genützt hat es niemandem.
Behringer spürt das Kribbeln auf dem Rücken. Er steht in einem echten Bunker. Nicht so bedrohlich wirkt es, wie er sich solch eine Erfahrung bisher vorstellte. Trotzdem beschleicht ihn ein ungutes Gefühl. Er schaut sich die Wände an, sieht die Feuchtigkeit auf der einen Seite, schreitet den Raum ab, geht in den nächsten, der nach dem Großen Garten, also nach Süden hin noch weiter auslädt. Auch hier sind die Südwände, dazu eine Ostwand feucht. Vielleicht Wasser vom nahen Großen Garten? Da gibt es Bäche, Kanäle gar… und Seen. Ist Hochwasser in der Stadt, steigt dort der Grundwasserspiegel immer in Dimensionen, die man sich nicht vorstellen kann. Er greift an die Wände. Der Hausmeister kam hinter ihm her, wollte ihn erst beglückwünschen zu diesem Fund, sieht nun, wohin er greift und überlegt ernsthaft.
„Draußen im Garten ist ein kleiner Teich. Künstlich angelegt. Gar eine Fontaine… die geht nicht mehr. Und drunter soll ein Wasserreservoir sein. Groß. Konnte man sich nicht so recht erklären, als irgendwelche Architekten letztens hier waren, um das Grundstück zu schätzen. Muss wohl einen Rückübereignungsantrag geben. Fragen Sie mich nicht…“
Rückübereignung? Dieses Haus? Mutschmann… oder irgendwer, der an seinen Besitz heran will… Behringer schaut dem Hausmeister ins Gesicht. Der wird unsicher.
„Na ja, was man eben so hört…“
Der Kommissar winkt ab.
„Ist gut. Aber ich glaube…“
Er geht in den letzten Raum und sieht, was er schon dachte, zieht den Hüter dieses Hauses zu sich und zeigt es ihm.
„Das Ding da draußen tarnt den Wasserspeicher vom Bunker. Und hier kann man nicht nur trinken, sich waschen… sondern gar duschen. Würde mich nicht wundern, wenn heute die Toiletten noch funktionieren… die Spülung meine ich. Wenn gar das
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