Cholerabrunnen
Ausflug natürlich verursacht, diese Erfahrung schon allein bei der Fahrt vom Flughafen zum Hotel nicht missen mochte. Vor ihrem Taxi fuhr immerhin eine schwarze Limousine mit Blaulicht, dahinter noch ein Kradmelder. Dass Wagners gleich mit der Limousine abgeholt werden, wollte der Chef nicht. Gut, dachte sich Behringer. Es geht auch so.
Nun verabredete er sich mit den Gästen an der Villa, die wie durch ein Wunder oder auch durch genaue Absprachen zwischen verschiedenen Mächten den Krieg überlebte.
Comeniusstraße 32, direkt am Großen Garten gelegen. Jene 1906 errichtete Villa, in der bis zum Kriegsende der Gauleiter Sachsen, Martin Mutschmann residierte und wohnte.
Behringer schluckt, als er die Straße entlang geht. Er kennt Geschichten, die ihm ans Herz gingen, als er sie in den letzten Tagen las. Diese Villa besaß einen riesigen Bunker… zu den vielen anderen Anlagen, die der Gauleiter für die Sicherheit seiner Verwandtschaft und der damaligen Parteileitung sowie anderer, bei einem Angriff vielleicht zufällig in Dresden weilender Größen errichtete, war das seine ganz private Angelegenheit. Und doch war der Herrscher über dieses Stückchen Erde am 13. Februar 1945 nicht in Dresden, als die Stadt in ihrer alten Form unterging. Hunderte Menschen aus der Umgebung und dem nahen Frauenkrankenhaus, einer Geburtsklinik, standen vor den äußeren Toren des Bunkers und wollten hinein. Angeblich hatte die Belegschaft der Villa strenge Weisung, niemanden einzulassen. Und doch wurden die Tore geöffnet.
Heute stehen auf einem Hügel neben der Villa Garagen. Er schaut über diesen Komplex, begrüßt die eben Ankommenden und klingelt. Er hatte sich angemeldet. Der Hausmeister des später auch von der Jugendorganisation der DDR genutzten Hauses, das nun leer steht und auf eine Sanierung wie eine neue Bestimmung zu warten scheint, kommt heraus und öffnet das Tor.
„Tach… Sie sind der Kommissar?“
Behringer nickt und stellt die Wagners vor. Mit keinem Wort erwähnt er deren mögliche Verbindung zu Mutschmann.
„Wir wollen den Bunker des Hauses sehen. Und vielleicht auch die Räume der Villa.“
Der Mann in Arbeitskombi schaut den Polizisten fragend an.
„Bunker? Hmm… wo ist der denn?“
Nein, nein, denkt Behringer. Der Kerl kann doch nicht hier arbeiten und den noch nicht gesehen haben. Gerüchte hielten sich schon nach dem Kriege hartnäckig, dass die Russen dieses Bauwerk hätten zurückbauen können, aber er glaubt es nicht. Dauert sicher zu lange, kostet zu viel Sprengstoff… und bringt nichts. Schutzanlagen kann man immer gebrauchen. Nicht umsonst war hier sicher hochrangige Prominenz der alten FDJ untergebracht.
„Lassen Sie uns doch einmal nachsehen!“
Er drängt am Hausmeister vorbei ins Gebäude, da gleich die Treppe hinab in den Keller. Ein wenig gönnt er sich ja diesen Ausflug für sich selbst. Er wollte hier schon immer einmal hinein. Nein, nicht hier. In einen wirklichen Bunker. Kam nur nie dazu. Als er auf die Bautzner Straße in die alte Stasizentrale fuhr, hatten schon neue Herren alles übernommen und nun kann man da auch nicht mehr ohne Weiteres hinunter. Andere Anlagen wurden mit mehr oder weniger plausiblen Erklärungen gesperrt und hier… will der Hausmeister nicht einmal etwas davon wissen.
Schließlich steht er unten. Licht flammt auf und überall scheinen Wände zu sein. Er holt einen alten Kompass hervor. Erbstück? Nein, sicher nicht. Aus seiner wilden Zeit in der Schule.
„Hier… hier dahinter!“
Der Hausmeister hebt nur die Schultern.
„Na ja, wenn Sie meinen… das ist doch Beton, oder? Nichts da, was man öffnen könnte. Na ja, ist auch egal. Ich habe gleich Feierabend. Wenn sie… hey!“
Behringer drückte sich nur gegen die Wand. Dann ging er ein Stück weiter und wirft sich gar dagegen. Plötzlich ist ein schabendes Geräusch zu vernehmen und wie von Geisterwand öffnet sich die Wand. Nein, eine große, mit Beton besetzte Tür fährt zur Seite. Dahinter ist noch eine. Die sieht schon eher wie der Zugang zu einem Bunker aus. Sie öffnet scheinbar nach innen… wenn der vor ihnen liegende Bunker wirklich existiert.
Schlüssel…
„Haben Sie noch andere Schlüssel, als die, die Sie hier immer einsetzen? So etwas?“
Er zeigt auf ein Schlüsselloch, das wie ein ‚Z’ geformt ist. Der Angesprochene überlegt, kratzt sich dann am Kopf und schlürft die Treppen nach oben. Während er entweder einen Wagen der Psychiatrie oder eben den besagten
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