Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cholerabrunnen

Cholerabrunnen

Titel: Cholerabrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Jahnke
Vom Netzwerk:
haben. Verstehen Sie? Ob natürlich der Mord und vor allem die Brutalität dessen auch nur etwas damit zu tun haben kann, wissen wir noch nicht. Die Familie ist derzeit in Dresden und wird befragt. Vielleicht erfahren wir so mehr. Doch… bitte lassen Sie uns unsere Arbeit tun. Ein Mord ist schnell geschehen… manchmal auch über lange Zeit geplant. Die Aufklärung beginnt jedoch stets bei Null. Sonst, hätten wir vorher davon erfahren, wäre die Tat sicher zu verhindern gewesen. Also müssen wir erst einmal etwas finden und dann weiter ermitteln… Bitte lassen Sie uns dazu die Zeit. Ich glaube nicht, dass viele Vorwürfe auch nur einen kleinen Deut helfen, die Lage zu verbessern. Eher setzen sie die Kollegen im Außen- und Inneneinsatz dermaßen unter Druck, dass wichtige Hinweise übersehen und damit automatisch Fehler begangen werden. Ich glaube nicht, dass dies der Situation und der Aufklärung dient!“
    Wieder ist nur ein Raunen zu hören. Der Oberbürgermeister schaut an die Decke und schüttelt den Kopf. Der Polizeichef will sich sicher aus der Affaire ziehen und einfach verschwinden. Der vorherige Sprecher, dessen rote Farbe im Gesicht langsam verschwindet, lächelt milde und setzt sich ganz ruhig auf seinen Platz.
    Behringer versteht nicht, was nun geschieht. Machte er etwas falsch? Was denn? Er sprach doch nur aus, was eben in seiner Arbeit zu Problemen führt und ihn nervt, wenn er das hier hört oder sieht.
     
    „Mann, nun werden sie uns auch noch Inkompetenz vorwerfen. Danke, Behringer!“
    Sein Chef macht eine wegwerfende Handbewegung. Jetzt reicht es dem Kommissar vollständig. Er sieht in der Ecke den Bildwerfer. Er hat keine Ahnung, wie man das Ding wirklich nennt. Jedenfalls kennt er es noch aus der Schule seines Bruders. Man legt echte Fotos darunter und die wandern an die Wand. Eigentlich kennt er solches nur mit Folien oder Dias. Aber echte Fotos… das macht hier Sinn. Er steht auf, schaltet das Gerät ein. Der Lichtstrahl trifft erst einmal die Anwesenden. Er dreht das Gerät herum und findet einen großen weißen Fleck an der gegenüberliegenden Wand. Die Abgeordneten reiben sich noch die Augen. Er zuckt nur entschuldigend mit den Schultern und greift seine Mappe. Sein Chef macht Zeichen, nicht noch mehr kaputtzumachen, doch er lässt sich nicht beirren.
    „So, meine Damen und Herren Abgeordnete. Hier… schauen Sie sich diese Fotos ganz genau an. Wenn Sie der Meinung sind, dass es auch nur einen Menschen in der gesamten Polizeidirektion Dresden geben könnte, der sie nicht ernst nimmt, der nicht alles dafür tun will, damit ein Täter gefasst und der Fall geklärt wird, dann können Sie das gern noch bekunden. Schauen Sie!“
    Er legt eines der Bilder nach dem anderen auf. Erst vom Auffindeort, dann von der Verbringung in den Transportbehälter und schließlich von der Obduktion. Warum er die große und nicht die kleine Akte zum Fall griff, weiß er nicht, aber er ist froh, es getan zu haben.
    Ruhe. Nicht einer sagt ein Wort. Das ist kein betretenes Schweigen. Das ist eine Schockstarre. Selbst Behringer mag nicht hinsehen, versucht, an etwas anderes zu denken, sich nicht auch noch gehen zu lassen. Es fällt ihm schwer.
    Dann ist er fertig. Er packt die Bilder zusammen und klappt die Mappe zu. Das Gerät lässt er an.
    „Ich habe zu tun. Der Fall erfordert meine Aufmerksamkeit, nicht Ihr Gerede. Sie können Ihre Beschwerden gern schriftlich einreichen. Wenn jemand bei uns im Präsidium Zeit findet, werden wir uns darum kümmern. Bis dahin aber… ist anderes wichtiger.“
    Er nickt seinem Chef zu und verlässt den Saal.
     
    Klapp, knall. Die Tür ist zu. Er schluckt noch einmal, atmet tief durch, lehnt sich einen Moment an eine Wand, klemmt dann die Tasche fester unter seinen Arm und geht zur Treppe, dann schnell hinaus, durch die goldene Pforte an die frische Luft.
    Raus. Nur raus. Er überlegt. Im schlimmsten Fall war das sein letzter öffentlicher Auftritt. Im besten werden ihn diese Leute in Zukunft in Ruhe lassen. Er winkt ab und geht hinüber zur Schießgasse, über den Pirnaischen Platz zum Polizeipräsidium, das derzeit wegen der vielen zu klärenden Fälle aus allen Fugen zu platzen droht.
     
    Kaum kommt er da an, wird er schon ans Telefon gerufen. Sicher die Reformante, denkt er sich, als er erfährt, der Polizeipräsident wartet am anderen Ende auf ihn.
    „Behringer?!“
    Er versucht, seine Stimme hart, unnachgiebig klingen zu lassen. Vielleicht gelang es ihm sogar. Er

Weitere Kostenlose Bücher