Cholerabrunnen
wartet. Dann hört er, was der Chef sagt. Er traut seinen Ohren nicht. Einige Passagen muss sein Gesprächspartner wiederholen und kichert sogar dabei.
„Behringer, das war die beste Idee, die Sie jemals hatten! Mann, die waren still. Ich glaube, keiner wagte auch nur ein Wort und der Chef, also der Oberbürgermeister, der sprach mir gleich sein Vertrauen aus. Mann, besser konnte es gar nicht kommen! Danke, Behringer, echt, Danke!“
Vertrauen… solch eine Aktion war also gut.
Der Kommissar lässt sich auf seinen Stuhl fallen, der verdächtig knirscht. Sägen sie doch daran? Er grinst nun auch. Dann legt er auf und zieht die Akte aus der Tasche. Es muss weitergehen. Gleich sollte er alle Beteiligten zusammenrufen und den aktuellen Stand besprechen. Am Nachmittag trifft er sich noch einmal mit den Wagners. Ob ihnen wohl noch etwas einfiel? Er kann es sich nicht vorstellen. Trotzdem sollte er es in Erwägung ziehen. Lange hörte er schon nichts mehr von seinem Kollegen, der die Familie beschattet… schützt… wie auch immer man das nennen mag. Na, der kann was erleben! Er schluckt noch einmal, dann schlägt er die Mappe wieder auf und ruft die Kollegen über die Gegensprechanlage zusammen.
Der Oberbürgermeister steht am Fenster und blickt hinaus auf die Straße. Viel tut sich an der Prager Straße. Schaut er sich erste neue Bebauungspläne an, wird sich noch vieles verändern. Ob er dann noch dabei ist, sich noch nicht zur Ruhe setzte oder vielleicht über irgendeinen Kleinkram stolperte, seinen Hut nehmen oder wegen schlechter Wahlergebnisse gehen musste? Es sollte ihm egal sein. Nur solche Dinge wie heute gehen ihm an die Nieren.
„Herr Oberbürgermeister, der Herr Polizeirat ist da.“
„Was ist Behringer für ein Mensch?“
Der Oberbürgermeister trinkt nun schon die fünfte Tasse Kaffee an diesem Tag. Sein Hausarzt verbietet ihm diesen schon seit seinem Amtsantritt, doch er ignoriert es erfolgreich. Wie, fragt er immer wieder, wenn seine Frau oder auch jemand anderer ihn daraufhin anspricht, soll er denn munter bleiben, den vielen wichtigen Geschäften und Terminen nachgehen, wenn er nicht munter ist? Zumal auch noch die Tage kaum nach zehn oder zwölf Stunden im Dienst zu Ende sind. Da geht es schnell bis Mitternacht und gegen acht hat er schon wieder auf seinem Stuhl zu sitzen, irgendetwas zu begehen oder zu entscheiden. Nein, ohne Kaffee kommt er nicht aus. Zumal er auch noch Sachse ist. Die gelten in Deutschland eh’ als die Nation, die direkt von den Türken versorgt wird… zumindest mit Unterstützung der alten Dresdnerin, Frau Melitta, die einst die Kaffeefiltertüte erfand und in die Welt hinaus trug. Ob er die Firma bewegen kann, zu ihren Ursprüngen zurückzukehren? Kaum zu erwarten. Diese Stadt braucht aber noch einige namhafte Unternehmen. Sonst wird das alles nichts mit dem angeblichen Wirtschafts- und Industriestandort im Elbtal. Solche Meldungen sind dann Gift. Die Art und Weise, wie Behringer seinen ganzen Rat und den Ausschuss zum Schweigen brachte, zeugt von einer gewissen Raffinesse. Ob die auch bei anderen Entscheidungen helfen kann? Nein, man soll nicht alle, die etwas können, von ihren Posten reißen. Zu gefährlich. Die Nachrückenden sind meist nicht so gut, wie man erst annahm. Dann hat man erst den Salat. Der neue Würdenträger taugt vielleicht nichts für die hervorragende Position und die Nachgerückten bringen alles noch viel mehr in Unordnung…
„Er geht seinen Aufgaben nach, Herr Oberbürger…“
Der winkt ab.
„Lassen Sie die Titel. Und übermitteln Sie Ihrem Kollegen Kommissar meinen Respekt. Was wir aber bei all diesen üblich politisch motivierten Spielereien nicht aus dem Auge verlieren dürfen… diese Tat muss endlich aufgeklärt werden. Ob nun mit Behringer oder einem anderen… die da draußen wurden bisher nur mit uns schadenden Informationen bedacht. Die nehmen alles auf, haben Angst. Und wir sollten… na ja, wir sollten endlich eine Lösung präsentieren. Gibt es nicht wenigstens einen kleinen Verdacht, dem wir nachgehen können?“
Der Polizeirat schüttelt den Kopf.
„Sorry, Behringer leitet die Ermittlungen und er tut das genauso unkonventionell, wie er die Sitzung meisterte. Ich habe vollstes Vertrauen in ihn!“
Ja, denkt der Stadtchef. Natürlich. Und wenn das doch nichts nützt?
Kapitel 2 – Offene Sicherung
„Ich lege den Fall nicht zu den Akten, Herr Polizeirat. Das kann ich nicht. Ich bin den Angehörigen schuldig, das
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