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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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den Leichnam durchsucht. Seine Brieftasche gefunden. Darin war alles. Ausweispapiere. Militärische Dokumente. Familienfotos. Alles. Ich habe alles mitgehen gelassen und den Leichnam in ein Versteck gezogen. Dann habe ich endlich zurückgefeuert, was das Zeug hielt. Aber ich war nicht mehr derselbe. Ich war nicht mehr Étienne Juva, das war mein alter Name, und noch nicht Lionel Kasdan. Ich war niemand. Nur ein bewaffneter Arm. Das Werkzeug Gottes, das zuschlagen musste, um die beiden Irren auszuschalten, die uns in diese Hölle gebracht hatten.
    Bei diesem Hinterhalt gab es nur ein Opfer – Kasdan. Auf unserer Seite. Wie viele Opfer auf der anderen Seite fielen, ließ sich nicht sagen. Die Rebellen waren im Regen verschwunden. Wir hatten sie nicht einmal zu Gesicht bekommen. Alle fragten sich, ob die Gerüchte über Zauberei vielleicht doch stimmten. Besessene Kämpfer, die unsichtbar werden konnten. Wir sind ins Basislager zurückgekehrt. Wir haben den Leichnam Kasdans beigesetzt. Bei der Hitze und der Feuchtigkeit konnte man ihn nicht aufbewahren. Dann zogen wir Bilanz.
    Lefèvre und Forgeras waren wie außer sich. Sie wollten weder nach Koutaba zurückkehren noch Verstärkung anfordern. Sie wollten den ganzen Busch in Brand setzen. Die Rebellen vernichten. Ihre Komplizen foltern – die Dörfler. Dem ganzen Land unsere Demütigung heimzahlen! Auch die Soldaten waren zu allem entschlossen. In diesem Moment war keiner der Männer mehr in seinem normalen Zustand. Wir hatten Hunger. Wir hatten Angst. Wir hatten Fieber. Und der Tod Kasdans stieß uns noch tiefer in unseren Groll hinein …
    Wir sind wieder aufgebrochen. Der Kommandeur und sein Stellvertreter hatten ein Ziel. Eine Art Krankenstation. Eine Buschklinik, in der angeblich Rebellen behandelt wurden, einen halbtägigen Fußmarsch entfernt. Als wir dort eintrafen, fanden wir lediglich ein Gebäude aus Strohlehm vor, das kranke Kinder, Bettlägerige und Schwangere beherbergte. Wir haben alle hinausgeschafft und dann die Krankenstation in Brand gesteckt. Dann haben die beiden Mistkerle die Frauen und die Kinder ›vernommen‹. Die Kranken konnten nicht einmal allein stehen. Ihre Verbände lockerten sich. Ihre Wunden zogen Fliegen an. Es war schrecklich. Sie wussten nichts. Sie brüllten vor Angst. Da begann Forgeras, die Kinder ins Feuer zu stoßen. Die Kinder schrien, wehrten sich. Forgeras schoss ihnen in die Beine, um ihren Widerstand zu brechen. Das Martyrium hat den ganzen Tag gedauert. Alle Kranken wurden schließlich bei lebendigem Leib verbrannt. Diejenigen, die nicht gehen konnten, wurden über den Boden geschleift und wie Leichen in das Flammenmeer geworfen.
    Als es vorbei war, brach die Stille wieder über uns herein. Der Geschmack nach Asche auf unserer Zunge. Und die Schande. Lefèvre und Forgeras spürten, dass ihnen die Kontrolle über uns entglitt. Die Meuterei war nicht fern. Sie mussten dafür sorgen, dass diese eigentümliche Raserei, in der wir uns befanden, fortbestand. Sie haben uns in ein anderes Dorf geführt. Dort gab es nur Frauen und Kinder. Die Männer hatten die Flucht ergriffen, da sie sich nachts vor den Rebellen ebenso sehr fürchteten wie tagsüber vor der französischen Armee. Da haben uns die Offiziere befohlen, uns ein wenig mit den Frauen und den Kindern zu amüsieren … Die Männer haben das getan. So als wollten sie noch tiefer im Schmutz versinken. Sich an diesen Negern zu rächen, die uns in Monster verwandelt hatten.
    Die Frauen haben die ganze Nacht hindurch in den Hütten geschrien. Da waren auch kleine Mädchen, einige von ihnen noch nicht einmal zehn. Mit einigen anderen stand ich wie versteinert am Feuer. Nur ein paar Meter entfernt sah ich Lefèvre und Forgeras, die inmittten des Geschreis und der Panik ungerührt den Feldzug des folgenden Tages vorbereiteten. Sie waren wahnsinnig. Man sah es am Funkeln in ihren Augen. Auf ihren Lippen, die sich gemessen bewegten, während Mütter unter den Augen ihrer Kinder vergewaltigt wurden.
    Sie sind in einer abseitsstehenden Hütte verschwunden, begleitet von zwei Tschadern, die uns als Kundschafter dienten. Es war Zeit zu handeln. Ich bin weggegangen, um mich auszurüsten, dann habe ich, im Dickicht versteckt, gewartet. Wenigstens einer der beiden würde herauskommen, um zu pinkeln. Lefèvre zeigte sich im ersten Morgengrauen. Er trug eine Dschellaba als Schlafrock. Als er stehen blieb, um sich zu erleichtern, habe ich die Mündung meiner Pistole vom Kaliber 45 in

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