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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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das sonst so kennt, denn Sebastian war einfach nie da. Aber uns verbindet ja nun etwas und Sebastians Eltern kümmerten sich rührend um uns. Während ich von meinen eigenen Eltern schon seit Jahren nichts mehr höre, schicken Sebastians Eltern Phillip und mir zu Weihnachten bis heute immer noch Pakete mit Fotos von der Familie, Gedichten und Leckereien. Ich bin sehr dankbar für diese Familie und für dieses Kind.
    Der Junge ist das einzig Richtige, was ich im Leben je gemacht habe. Das sehe ich wirklich so. Ich bin ganz stolz auf ihn, er ist so ein guter Junge und so schlagfertig. Er lässt sich nichts gefallen. Er will jetzt Abitur machen und Informationstechnologie studieren. Er arbeitet nebenher schon heute in diesem Bereich. Im Nebenjob hilft er älteren Menschen, Computer einzurichten und zu bedienen. Wie sein Vater, der als Grafikdesigner arbeitet, hat Phillip ein Faible für PCs und Smartphones und das Internet.
    Wenn er noch bei mir wäre, würde er sich aber bestimmt besser ernähren als jetzt. Wir haben immer regelmäßig gegessen, als er noch bei mir war. Jetzt stopft er nur Pizza und Burger in sich rein, völlig unregelmäßig, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Als er noch klein war, hatte er auch, wie viele andere Kinder, Probleme mit Gemüse. Aber ich habe es ihm immer untergeschoben, indem ich es mit ein bisschen Butter pürierte. Wir mögen auch beide sehr gern Suppen, so konnte ich ihm sogar Sellerie und Mohrrüben unterjubeln. Er sagte immer: „Mama, ich will nicht wissen, was drin ist. Mach was, was schmeckt.“ Er musste damals noch groß und stark werden, so konnte ich mit Popeye erfolgreich für Spinat mit Zwiebeln und ein bisschen Sahne werben. Jetzt ist er knapp einsfünfundachtzig, einen Kopf größer als ich.
    Ich selbst habe jetzt nur noch selten Hunger. Und trotzdem wiege ich heute immer noch um die 65   Kilo. Bei einszweiundsiebzig! Vier Kilo zu viel, mindestens, wie ich finde. Aber Hungern macht meinem Körper gar nichts aus, weil er es nur zu gut kennt. Ich nehme nicht mehr ab, weil ich schon seit meinem 13.   Lebensjahr immer wieder diese Nulldiäten gemacht habe, und wie ich heute weiß, gewöhnt sich der Körper daran. Er fährt die Verbrennung runter. Das hat zur Folge, dass ich heute viel schneller zunehme als Menschen, die nicht so viele Diäten gemacht haben wie ich.
    Mir ist schon klar, dass Alkohol viele Kalorien hat. Wenn du trinkst, ist jede Diät sinnlos, erst recht bei dem Zeug, das ich trinke: Likör, das ist wie Puderzucker. Aber Wodka und Whiskey sind Gift für meine Leber. Das würde mich sofort töten, vor allem in Kombination mit dem Methadon.
    Momentan bin ich wieder bei einer Dosis von acht Millilitern Methadon am Tag angekommen. Es gibt Methadon in flüssiger und in Tablettenform. Beides wirkt gleich, es verhindert, dass du auf Turkey kommst, es besetzt die Rezeptoren. Aber weder wirst du high davon, noch bekämpft es in irgendeiner Art die Sucht. Im Gegenteil. Es ist um ein Vielfaches schwerer, von Methadon zu entziehen als von Heroin. Die Symptome sind ähnlich, Durchfall und Erbrechen, Gliederschmerzen und Schweißattacken. Aber der Entzug dauert viel länger als von Heroin. Wenn du von H entziehst, kommst du nach einer Woche wieder klar, beim Metha kann der Entzug bis zu einen Monat dauern.
    Ich würde gern wieder weniger Metha nehmen, ich war in den letzten Jahren eigentlich fast immer bei fünf Millilitern. Aber inzwischen geht es mir gesundheitlich immer schlechter, und da ich es nicht jeden Tag zum Arzt schaffe, will ich vermeiden, schlecht drauf zu kommen. Da bin ich lieber überdosiert, auch wenn das oft zur Folge hat, dass mir übel wird und dass ich nicht schlafen kann.
    Durch den Jungen hatte ich es mir abgewöhnt, ein Nachtmensch zu sein. Ich wusste genau, der ist morgens früh am Start und will seinen Kakao und am Wochenende seine Comicserien. Samstagmorgens war er schon um halb sieben wach und wollte dann unbedingt „Tom und Jerry“ schauen oder die „Glücksbärchen“ oder „Power Rangers“. Es konnte ihm nie früh genug losgehen, obwohl er noch gar nicht richtig wach war. Und wenn ich ihn dann fragte: „Na Phillip, bist du noch müde?“, dann guckte er mich entsetzt an und sagte: „Nein, aber wenn du müde bist, dann schlaf ruhig weiter!“
    Kinder sind so süß in dem Alter zwischen zwei und sieben. Jungs werden dann kleine Raufbolde und Mädchen Prinzessinnen, was genauso anstrengend sein kann, weil sie entsprechend zickig sein

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