Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
Vom Netzwerk:
können. Aber am Ende des Tages sind sie alle süß. Ich musste Phillip ständig knuddeln, bis er alt genug war, das nicht mehr zu wollen. Aber bis dahin nahm ich ihn auf den Arm, wenn er am Wochenende bei seinen Serien doch wieder einschlief und packte ihn zu mir ins Bett zum Kuscheln. Manchmal wachte er dabei auf und fragte: „Mama, kann ich noch einen Kakao haben?“ Klar bin ich dann aufgestanden, obwohl er oft schon wieder eingeschlafen war, wenn ich mit der Tasse zurückkam. Dann habe ich den Kakao selbst getrunken, das mache ich bis heute gern.
    Man fühlt sich irgendwie wertvoller, wenn man einen Rhythmus hat. Der Junge tat mir einfach gut, ich wurde durch ihn ein besserer Mensch. Er hat mich wieder zum Tagmenschen gemacht, er hat mich gelehrt, wieder Termine einzuhalten, zuverlässig zu sein, all die Dinge, die ich schon mal kannte und konnte, weil ich sie in der Schule und in der Lehre ja gelernt hatte, nur auf eine ganz andere Art und Weise. Jetzt machte es alles noch so viel mehr Sinn, und das tat mir unglaublich gut. Phillip ist das größte Geschenk meines Lebens, und wir waren ein tolles Team.
    Ein guter Start in den Tag war für mich eine Pflichtübung als Mutter. Ich wollte nicht, dass es ihm so ergeht wie mir damals, als ich noch in den Kindergarten oder zur Grundschule ging. Um zehn vor sieben riss unsere Mutter brutal die Tür zu Anettes und meinem Zimmer auf: „Raus jetzt!“ Um alles Weitere haben sich meine Eltern morgens nicht gekümmert.
    Meine Mutter machte sich für die Arbeit als Sekretärin bei Axel Springer fertig, und mein Vater war meist noch betrunken oder hatte einen furchtbaren Kater. Wir mussten alles selber machen, geschmierte Schulbrote kannten wir nicht. Kuscheln mit Mama im Bett gab es erst recht nicht. Wir hatten eine einsame Kindheit. Das wollte ich für Phillip nicht.
    Deshalb bemühte ich mich, möglichst viel mit ihm gemeinsam zu erledigen. Auch die Hausarbeit. Schon als er noch ein Kleinkind war, habe ich ihm gezeigt, wie man die Sachen zusammenlegt. Das funktioniert natürlich nur, wenn es auch Laune macht: Erst habe ich einen Haufen frischer Wäsche auf die Matratze geworfen und den Jungen darauf hüpfen lassen, dann habe ich das Falten der Kleidung wie einen Wettbewerb inszeniert: „Mal sehen, wer es besser hinbekommt?“ So muss man Kindern das beibringen, mit Spaß. Sonst lernen die das nie.
    Ich gebe auch viel darauf, was Phillip sagt. Ich frage ihn immer um Rat und um seine Meinung, ich kläre ihn genauso über meine Schwierigkeiten und Ängste auf wie über meine Freuden. Manch einer mag vielleicht meinen, dass ich ihn damit überfordere. Aber ich vertraue ihm und nehme ihn ernst, und dazu gehört auch, dass ich ihm zutraue, mit der Wahrheit umzugehen. Auch in Bezug auf meine Männer habe ich ihn immer gefragt, was er denkt. Wenn ich jemanden kennenlerne, frage ich ihn: „Magst du den?“ Wenn er Nein sagt, mache ich dem Mann schnell klar: „Sorry, mein Sohn kann nicht auf dich, raus!“
    Bei meinem Alkoholismus kann Phillip mir aber nicht helfen. Soll er auch nicht, damit soll er sich nicht auch noch rumschlagen. Wenn er bei mir ist, versuche ich, möglichst nicht zu trinken.
    Nur für Phillip kaufe ich manchmal ein, zwei Bier ein. Als er 15 war, habe ich ihm das erste Mal ein Bier angeboten, damit er unter meiner Aufsicht erste Erfahrungen damit macht.
    Abends lag Phillip wie immer auf meiner Matratze im Wohnzimmer vor dem neuen Flatscreen, den wir haben, seit er so gern in Hochauflösung PlayStation spielt. Wir hatten Hackbraten gegessen, den mag er am liebsten mit viel Tomatensoße und Käsefüllung. Dann lief „Schlag den Raab“, das guckt er ganz gern. Ich saß daneben an dem winzigen Küchentisch, lackierte mir die Nägel mit glitzer-grünem Nagellack und trank mein Bier. Möglichst beiläufig murmelte ich:
    „Hast du auch Lust auf ein Bier?“
    Und er antwortete: „Na klar!“, bewegte sich aber nicht von der Matratze, um sich selbst zu bedienen. Also machte ich ihm eins auf.
    „In der Dose oder im Glas?“
    „Dose!“
    Ich ging zu ihm, gab ihm das Tuborg, und als wir beide das Bier in der Hand hielten, warnte ich ihn:
    „Wenn du dieses Bier trinkst, wirst du einschlafen, bevor deine Sendung zu Ende ist!“ Das geht nämlich bis nach ein Uhr nachts, und es war erst 21   Uhr.
    „Ach Quatsch, das schaffe ich schon“, sagte er, wie jeder Teenie hielt er sich für super stark. Natürlich ist er eingepennt.
    Als er noch ein kleines Kind war, trug

Weitere Kostenlose Bücher