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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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seiner Stelle genauso reagiert. Man findet Mütter eben uncool, wenn man zehn Jahre alt ist. Es war nicht selbstverständlich für Phillip, Freunde zu finden. Das lag aber gar nicht an ihm, auch wenn er der eher ruhige, unauffällige und leise Typ ist. Es lag an mir.
    Als wir zuvor noch in Spandau wohnten, verboten manche Eltern ihren Kindern sogar, mit Phillip zu spielen, als sie erfuhren, wer ich war. Das hat mir das Herz gebrochen und dem Jungen natürlich auch, obwohl er mich immer verteidigte und die anderen als „doofe Affen“ oder „dämliche Spießer“ bezeichnete. Wir waren heilfroh, dass es draußen in Brandenburg alles etwas toleranter zuging – womöglich auch, weil mein Buch in der DDR kaum verkauft wurde und um meine Person nicht so ein Hype aufkam. Außerdem hatten wir mittlerweile auch gelernt, nicht jedem gleich zu offenbaren, dass ich, die neue Nachbarin Christiane Felscherinow, früher einmal das Mädchen vom Bahnhof Zoo war. Ehrlichkeit zahlt sich eben nicht immer aus, das wusste ich schon als Kind, weil mich mein Vater für jede spielerische Dummheit, die ich ihm beichtete, furchtbar verprügelt hat.
    In Teltow haben uns dann aber ein paar Familien besser kennengelernt und gemerkt, dass wir gar nicht so schrecklich sind, als Phillip Spieler im TSV Teltow wurde. Wenn Mitspieler und Freunde bei uns übernachteten, freute ich mich sehr für Phillip, machte für die Jungs Pizza und Pommes, ließ sie Hütten aus Decken und Stühlen mitten in der engen Wohnung bauen, sie durften schreien und rumlaufen – egal was, Hauptsache Spaß.
    Schon vor Phillips Geburt war ich erstmals in ein Methadonprogramm gekommen, nachdem ich von einem Hochbett gestürzt und mir dabei die Schulter zertrümmert hatte. Ich musste ein paar Tage in einem Kreuzberger Krankenhaus übernachten, weil ich mir danach, das muss 1995 gewesen sein, nicht einmal mehr die Schuhe binden, geschweige denn einen Schuss setzen konnte. Als ich auf Turkey kam, wurde ich dort im Krankenhaus substituiert. Vorher hatte ich nicht einmal gehört, dass es so etwas gab.
    Als wir zehn Jahre später nach Teltow zogen, kam ich sogar schon eine Weile ohne Methadon aus. Ich hatte mich bis dahin auf nur einen Milliliter runterdosiert, das ist so gut wie nichts.
    Ab und zu habe ich noch gekifft, aber das machen andere Eltern auch. Ich rauchte meistens ganz offen vor Phillip, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihm damit vor allem die Faszination für das Verbotene genommen habe. Er hat mich nie gefragt, ob er mal ziehen darf. Er raucht nicht einmal Zigaretten.
    Aber ich gebe zu: Wenn ich in der Stadt, auf dem Weg zum Arzt, alte Bekannte traf, die Heroin zum Schniefen dabei hatten, dann habe ich manchmal auch leider nicht Nein gesagt. Das kam alle Jubeljahre mal vor.
    Was die meisten Menschen einfach nicht begreifen: Nicht jeder Schuss, nicht jeder Schnief wirft einen gleich zurück in die Abhängigkeit. Am Anfang ist das so, ja. Da entscheidet sich, ob du Junkie wirst oder nur eine schlechte Phase hast. Im Film „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ wird der Satz „Ich hab’ mich unter Kontrolle“ schnell zur Floskel für alle, die tiefer drinstecken, als sie wahrhaben wollen. Das war auch so. Aber wenn du schon Junkie bist und das weißt, wenn du zehn, zwanzig Jahre lang H und alle möglichen Medikamente kilo- und riegelweise in dich reingepumpt und immer wieder entzogen hast, dann reißt dich doch ein Schnief nicht gleich vom Hocker.
    Es ist einfach was anderes, ob die Drogen im Mittelpunkt deines Lebens stehen oder ob sie dich peripher durch dein Leben begleiten.
    Aber in der Presse steht immer gleich „Rückfall“, sobald ich auch nur einen Fuß an den Kotti oder auf den Hermannplatz setze, selbst wenn ich mir nur einen Kakao kaufe. Und wenn dann geschrieben wird: „Christiane F. wieder auf der Szene“, dann denke ich: Ich war nie weg. Auch heute noch gehören viele meiner Freunde zur Szene, und wenn ich die sehen will, dann gehe ich eben dahin, wo sie sich rumtreiben. Das heißt: Früher war ich Stammgast dort, das gebe ich zu. Aber inzwischen meide ich diese Orte. So oft es geht, weil mich dort schrecklich viele Menschen erkennen und nerven. Irgendwann ist man alt genug und muss nicht alles machen, was andere tun. Aus dem Alter bin ich längst raus. Aber selbst wenn du Drogen kaufen oder nehmen willst, dann machst du das überall, nur nicht am Kottbusser Tor oder am Hermannplatz. Das ist viel zu heiß da, weil es andauernd Razzien

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