Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
gemietet.
Anna und Daniel, sie lebten zwar immer in dem Bewusstsein, dass jeder Mensch etwas wert war, egal, woher er kam und wie viel Geld er besaß. Aber am Ende war Panagiotis ein armer, griechischer Junge mit einem Heroinproblem. Nicht der Mann, den die Keels sich für mich wünschten.
Tagsüber kauften wir reinstes Heroin. Wir setzten uns auf die Wiese und nahmen den ersten Schuss. Ich wartete auf den Turn, aber ich kam kaum runter, weil ich so aufgeregt war. Also spritzte ich gleich noch einmal nach. Und noch mehr und wieder und noch einmal. Da bekam Panagiotis Angst.
„Stop it, you’ve had enough!“ – „Lass mal gut sein jetzt, du hast genug.“
„Ey, it’s not your business, baby“ – „Was kümmert es dich?“, motzte ich zurück.
„Sag mal, geht’s noch? Willst du dir den Goldenen Schuss setzen, oder was ist los?“
„Nein, ich weiß auch nicht, ich komme nicht runter.“
„Das ist mir egal. Du lässt das jetzt bleiben.“
Dann nahm er mir mein Besteck weg. Er tat mir weh, als er meine Finger mit Gewalt öffnete. Und da setzte bei mir alles aus. „Alter, spinnst du, oder was? Kauf dir dein eigenes Zeug. Mein Geld, mein Dope. Wenn du nur mein Geld und mein Dope willst, verzieh dich. Sonst lass mich in Ruhe!“
Ich fuhr einen Film, dachte, er gönnt es mir nicht. Viele Junkies haben Partner, die kein Heroin nehmen, weil du mit denen keine Konkurrenzkämpfe ausfechten musst. Wer kriegt wie viel? Gehört mir das? Gehört dir das? Wann hast du genug? Man misstraut sich eigentlich immer: Steht der nachts auf und geht an die Morgenration ran?
Du kannst ja keinem Junkie vertrauen, auch nicht denen, die du liebst. Das ist traurig, aber es ist der Preis, den du zahlst. Du lebst in ständigem Misstrauen gegenüber allen Menschen.
Es gibt einige Paare, bei denen funktioniert das irgendwie. Mit Panagiotis hat das eigentlich besser geklappt als mit meinen Männern nach ihm. Aber in dieser Nacht war ich nicht ich, es ist ein Wunder, dass ich nicht gestorben bin – auch Panagiotis war der Meinung, dass mir nicht mehr zu helfen war. Er hat mich dann völlig zugedröhnt am Platzspitz sitzen lassen und ist zum Bahnhof abmarschiert. Er wollte einfach in einen Zug steigen, in irgendeinen, nur weg von mir.
In meinem Turn und meinem Stolz blieb ich völlig verwirrt erst einmal allein zurück und drückte noch einmal nach, um besser klarzukommen. Aber es half nichts, mir wurde bewusst, dass ich die Liebe meines Lebens verlieren würde. Also sprang ich auf und lief Panagiotis nach. Er saß am Gleis, wartete auf den Zug nach Wien, für den er sich bereits ein Ticket gekauft hatte. Ich weiß nicht mehr ganz genau, was dann passierte, nur dass ich ihm eine dramatische Szene mit viel Tränen gemacht habe. „Wenn du nur noch ein paar Stunden wartest“, flehte ich ihn auf Knien an, „dann packe ich schnell meine Koffer, und dann fahren wir gemeinsam und machen den Entzug!“
Ich hasste mich, wenn ich so drauf war. So viel Geld verprasst, wieder peinlich benommen, und dann noch den Menschen, den ich am meisten liebte, in Angst versetzt und verletzt. Ich kann so furchtbar sein.
Im letzten Moment entschied er sich gegen die Flucht, für den neuen Versuch. „Ich hätte es mir nie verziehen, wenn du heute Nacht draufgegangen wärst“, sagte er mir.
Nach diesem schlimmen Absturz sind Panagiotis und ich zusammen nach Thessaloniki im Norden Griechenlands geflogen, wo seine Schwester wohnte. Wir haben uns einige Wochen bei ihr eingesperrt, um zu entziehen. Das ging so alles nicht weiter, das war uns klar. Wir mussten den Absprung endlich schaffen. Seine Schwester päppelte uns mit Suppen und kalten Umschlägen auf. Und wir schliefen eine Woche quasi durch. Je weiter der Entzug voranschritt, desto besser ging es uns. Und wir waren wieder wie frisch verliebt und voller Hoffnung auf unsere Zukunft in Athen: mit Tattoo-Laden und Häuschen.
Wir hatten dann auch ein paar Mal Sex. Zu dieser Zeit verhütete ich aber auch nicht, denn es war weiter meine Art von Freiheit, die Pille nicht mehr zu nehmen. Das heißt: Meine fruchtbaren Tage kamen meist dann, wenn Neumond war. Das wusste ich und habe mir dann immer für diese Tage ein Diaphragma besorgt. Mit den Jahren hatte ich ein Gespür für meinen Zyklus entwickelt, der musste aber irgendwie durcheinandergekommen sein. Kein Wunder, immerhin hatte ich mich vollkommen vergiftet zwei Wochen zuvor. Wie leichtfertig ich mit meinem Körper umgegangen bin, habe ich später
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