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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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dass das Freundschaft sei. Aber oft ist es nicht mehr als eine Zweckbekanntschaft und endet in tiefer Enttäuschung oder im Streit um ein paar Euro, die man sich geliehen, aber noch nicht zurückgegeben hat. Oder um ein paar Fitzelchen Gras, die dir einer klaut, den seine Drogensucht einfach schon viel länger begleitet als jeder Mensch in seinem Leben. Man gewöhnt sich aber an all das. Selbst an den Tod dieser Kameraden.
    Ich habe Dutzende Freunde verloren, zum Teil weiß ich gar nicht wie. Ich erinnere mich nur noch an die krassesten Fälle. Dazu gehören vor allem die Freundinnen, die plötzlich mit irgendwelchen Arabern eine Scheinehe eingingen, weil der eine so seine Aufenthaltsgenehmigung bekam, die andere ihr Heroin.
    Die kommen auf die Szene und sagen, was sie wollen. Irgendeine macht das schon mit. Zum Beispiel meine Freundin aus dem Gefängnis, Liane Mayer, eine wunderschöne junge Frau, mit Haaren bis zum Hintern, schlanker Figur und großen, blauen Augen. Sie nannte sich immer noch bei ihrem Mädchennamen, dabei hieß sie längst Al-Hamad. So heißen die dann alle; die meisten überleben solche Junkiehaushalte nicht.
    Natürlich hat eine Süchtige keinen größeren Traum, als neben ihrem Dealer zu schlafen. Aber eine Heroin-Flat für ein bisschen Kochen und Lieb-Hausfrau-Spielen, das ist verdammt gefährlich! Schon nach wenigen Wochen leiden diese Frauen meist unter Abszessen und totaler Lethargie.
    Ich konnte das Elend kaum ertragen, wenn ich mal die eine oder andere Bekannte mit ihrem neuen arabischen Mann besuchte. Die eine, „Bibi“ genannt, saß am Küchentisch, der Sabber lief ihr aus den Mundwinkeln, keinen Laut konnte sie von sich geben außer ein bisschen Gegrummel wie im Fieber. Klar hat die mich wahrgenommen, aber ihr war keine Reaktion mehr möglich. Mit geschlossenen Augen drehte sie sich ihre Zigaretten, beide Hände auf dem Tisch, ihre Arme konnte sie kaum halten. „Huch“, brummte sie, wenn ihr wieder die Hände von der Tischkante abstürzten und Papier, Tabak, alles auf den ohnehin völlig versifften Boden fielen. „Huch“, hörtest du dann nur noch. Mehr ging nicht.
    An Martha erinnere ich mich auch noch: Das war so eine Gothic-Tante, die Korsett trug und auftoupierte, silberblonde Haare. Ihre Haut war weiß, sie puderte sie immer ein. Sie lebte in einer Erdgeschosswohnung in einem kleinen Hinterhof am Innsbrucker Platz. An den Fenstern hingen schwarze Samtgardinen, damit kein Sonnenlicht reinkam. Alles war mit schwarzem Teppich ausgelegt, Hunderte Kerzen tropften die Wohnung voll. Früher war es dort sicher einmal schön gewesen, aber inzwischen stank das alles nur noch.
    Das war meine Dealerin. Da saß ich dann und wollte nur schnell wieder raus, aus Angst vor den Bullen und weil alles so gruselig war. Aber sie kriegte weder H-Kugeln noch Geld gezählt, hing am Tisch, und Kaviar lief ihr aus dem Mund, mit dem ein anderer Kunde sie bezahlt hatte. Kaviar!
    Sie war ständig viel zu vollgedröhnt, um einzukaufen, um zu essen, um Geschäfte zu machen. Ihr Freund hieß Kurt, ihm ging es auch nicht besser, der Zustand dieser beiden Heroingeister hat sogar mich schockiert.
    Kurt hatte lange, schwarz lackierte Fingernägel, wie Marilyn Manson. Diese Leute sind inzwischen alle tot. Totgefixt oder sonst was. Einfach tot. Bei den meisten stellst du keine Fragen, es interessiert nicht, wie und wann. Am Ende wissen wir alle doch warum.
    Phillips Vater war lange Zeit auch sehr schlimm auf Heroin. In der U8 habe ich ihn das erste Mal gesehen. Er war ein Zeitungsverkäufer, der in einer Einrichtung für obdachlose junge Erwachsene in der Solmsstraße übernachtete. Er fuhr genau wie ich täglich zwischen Wittenau und Gesundbrunnen hin und her und sah dabei unglaublich niedlich aus: groß, schlank, dunkle Haare und hellgrüne Augen.
    Zunächst einmal habe ich mich nicht getraut, ihn anzusprechen, er wirkte kühn und nicht interessiert. Außerdem war er zehn Jahre jünger als ich, und ich sah zu der Zeit ziemlich demoliert und unsexy aus.
    Kurz zuvor war ich aus dem Hochbett in der Pflügerstraße geflogen. Eines Abends war ich wieder voll im Jum, ich hatte Schlaftabletten und Heroin genommen, Mandrax und Codein. Alles querbeet. Im Schlaf fiel ich vom Bett, es hatte nämlich nur so eine ganz kleine Leiste an der Seite. Zweimetervierzig in die Tiefe, voll berauscht, ungebremst. Meine rechte Schulter und mein Arm waren zerschmettert.
    Ein Bekannter, der ein paar Tage bei mir lebte, rief einen

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