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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Schutz der jeweiligen Obrigkeit unterstanden und häufig die Entstehung einer Stadt angebahnt haben. Auch der seit jeher praktizierte Seehandel mit höherwertigen Gütern nahm im Mittelmeer infolge der Kreuzzüge einen kräftigen Aufschwung und verstärktesich ebenso zwischen den Küsten von Nord- und Ostsee dank den Fahrtgemeinschaften weitgereister Kaufleute mit ihren Niederlassungen von London bis Novgorod, woraus im 13. Jh. die Hanse hervorging. Kreuzungspunkte des europäischen Fernhandels wurden fest terminierte Jahrmärkte von überregionaler Bedeutung, die im 12./13. Jh. an günstig gelegenen Plätzen Anbieter und Abnehmer von weither zusammenführten wie etwa die Messen an verschiedenen Orten der Champagne, die vor allem dem Verkauf von Textilien aus Flandern und den Niederlanden an Großhändler aus Italien dienten und mit der Zeit zu florierenden Geldmärkten wurden.
    Eine wesentliche Voraussetzung kommerzieller Erfolge war nämlich die allgemeine Ausweitung des Geldverkehrs, der im 12. Jh. die Naturalwirtschaft bis in die ländliche Sphäre hinein verdrängte und auch in der hohen Politik in Gestalt von Subsidien und exakt bezifferten Abgaben eine zunehmende Rolle spielte. Dem Bedarf nach größeren Münzen als dem längst entwerteten karolingischen Silberpfennig trug man zuerst in lombardischen und toskanischen Handelsstädten Rechnung, wo um 1170/80 die Prägung eines acht- bis zwölfmal schwereren Grossus (Groschen) begann. Im Verlauf des 13. Jhs. fand das auch jenseits der Alpen mancherlei Nachahmung, wurde aber noch überboten durch die ersten Goldmünzen nach arabischem und byzantinischem Muster, die Kaiser Friedrich II. 1231 sowie mehrere italische Städte seit 1252 in Umlauf brachten. Daneben entwickelten sich um 1200 offenbar von Genua aus frühe Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mittels Wechselbriefen, was Italien zur Wiege des europäischen Bankwesens werden ließ.
    Nicht bloß Kaufleute mit ihren Gütern überwanden im Hochmittelalter große Entfernungen und alle Grenzen der europäischen Reiche, auch ganz andere Gründe brachten Menschen dazu, den Mühsalen und Gefahren weiter Wege zu trotzen, auf denen man sich ohne alle technischen Hilfsmittel kaum 25 Kilometer am Tag fortbewegte, um nach Wochen oder Monaten ferne Ziele zu erreichen. Zu nennen ist die wachsende Zahl von Pilgern, die seit altersüber die Alpen hinweg zu den Apostelgräbern in Rom strebten, seit dem 10./11. Jh. zunehmend auch zum Jakobusgrab in Santiago de Compostela, seit der Öffnung Ungarns gar auf dem Landweg über Konstantinopel bis nach Jerusalem. Pilgerhospize entlang den meistbegangenen Routen wurden zur Vorstufe kommerzieller Gastlichkeit. Sie wurden auch genutzt von der mobilen Schar geistig tätiger Spezialisten wie Künstler und Bauhandwerker, Ärzte und Spielleute, die ihr Auskommen nicht dauerhaft an einem festen Ort fanden und sich bald hier, bald dort niederließen. Dazu kamen in steigendem Maße Scholaren, die auch schon vor der Entstehung förmlicher Universitäten gefragte Lehrer und Schulen, zumal in Frankreich und Italien, aufsuchten. Grenzüberschreitend unterwegs waren zudem die Oberen der rasch expandierenden neuen Orden (Cluniazenser, Zisterzienser, Prämonstratenser), die nur durch gegenseitige Aufsicht und persönliche Begegnungen die Identität ihres Verbandes wahren konnten und sich im 12. Jh. jährlich aus halb Europa zu Generalkapiteln versammelten. Erst recht sorgte der Drang des Reformpapsttums nach wirksamer Leitung der gesamten lateinischen Kirche für regen Reiseverkehr, weniger der Päpste selbst als ihrer Legaten und sonstigen Briefboten, in umgekehrter Richtung all derjenigen, die an die Kurie einbestellt waren (wie die Erzbischöfe zur Entgegennahme des Palliums, ihres Amtsabzeichens) oder von sich aus dort erschienen, um Privilegien, Dispense oder Rechtsauskünfte zu erhalten. Höhepunkte des gesamtkirchlichen Austauschs wurden die päpstlichen Synoden im römischen Lateran, die Hunderte von Bischöfen und Äbten aus allen Ländern der lateinischen Christenheit vereinten. Die gegenseitige Verständigung fiel leicht angesichts der gleichen lateinischen Bildung der Geistlichkeit, die ja auch viele «internationale» Karrieren höherer Kleriker erlaubte. Kaufleute und Pilger, die kein Latein verstanden, taten gut daran, über eine der großen Verkehrssprachen zu verfügen: Volgare im Mittelmeerraum, Französisch im Westen, Deutsch in der Mitte Europas und weiter

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