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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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ein Kind war. Er mochte dreißig, vierzig oder fünfzig sein, aber im Grunde war er auch nur eines von Manx’ vergifteten Kindern.
    Und wahrscheinlich wusste er wirklich, wo sie sich befand.
    Dann komm doch her und hol mich, du kleiner Scheißer, dachte sie und wischte sich die Tropfen aus dem Gesicht.
    In dem Moment hörte sie eine andere Stimme: Manx. Manx, der nach ihr rief. Beinahe als wollte er sie hervorlocken.
    » V ictoria, V ictoria, V ictoria McQueen!«
    Zwischen zwei der Metallfässer gab es eine etwa einen Zentimeter breite Lücke. Sie schwamm hin und blickte hindurch. Manx stand in einer Entfernung von etwa neun Metern am Ende des Stegs, der Gasmaskenmann hinter ihm. Manx’ Gesicht sah aus, als hätte er seinen Kopf in einen Eimer voll Blut getaucht.
    »Meine Güte! Du hast mich ordentlich zugerichtet, V ictoria McQueen. Mein Gesicht ist kaum wiederzuerkennen. Und mein Gefährte hier hat mir ein Ohr abgeschossen. Was habe ich nur für Freunde! So wie ich jetzt aussehe, wird kein Mädchen mehr mit mir tanzen wollen!« Er lachte und fuhr dann fort: »Nicht umsonst heißt es, dass sich im Leben alles wiederholt. Hier sind wir also wieder. Du bist wie ein Fisch. Gleitest mir ständig durch die Finger. Der See ist genau der richtige Ort für dich.« Erneut hielt er inne. Als er weitersprach, klang er beinahe amüsiert. »Na gut. Wir wollen nicht ungerecht sein. Immerhin hast du mich damals nicht umgebracht, sondern mir nur meine Kinder weggenommen. Ich könnte also losfahren und dich hier zurücklassen. Aber denk dran, dass dein Sohn jetzt bei mir ist und dass du ihn nie zurückbekommen wirst. Wahrscheinlich wird er dich hin und wieder aus dem Christmasland anrufen. Er wird dort glücklich sein. Ich würde ihm niemals etwas zuleide tun. Bei mir wird es ihm besser gehen als bei dir.«
    Der Steg knarrte, und sie hörte den Motor des Rolls-Royce im Leerlauf vor sich hin tuckern. Sie zog sich die schwere, nasse Motorradjacke aus. Eigentlich hatte sie erwartet, dass die Jacke sofort untergehen würde, aber sie schwamm auf dem Wasser wie schwarzer Giftmüll.
    » V ielleicht wirst du auch versuchen wollen, uns zu finden«, sagte Manx in einem hinterlistigen Ton. »So wie du mich schon einmal gefunden hast. Ich hatte jahrelang Zeit, über die Brücke im Wald nachzudenken. Deine unmögliche Brücke. Mit Brücken wie dieser kenne ich mich aus. Und mit Straßen, die man nur in seiner Gedankenwelt finden kann. Genau so gelange ich nämlich ins Christmasland. Es gibt die Night Road; die Bahngleise, die nach Orphanhenge führen; die Türen zur Mittwelt; den alten Pfad zum Baumhaus des Geistes und V ictorias wundersame überdachte Brücke. Weißt du noch, wie du dorthin gelangst? Komm und such nach mir, wenn du kannst, V ic. Ich warte auf dich im Haus des Schlafes. Dort mache ich einen Zwischenhalt auf dem Weg ins Christmasland. Damit wir noch ein wenig plaudern können.«
    Er drehte sich um und ging den Steg hinunter.
    Der Gasmaskenmann seufzte unglücklich, hob die .38er und feuerte.
    Eines der Kiefernholzbretter über V ics Kopf zersplitterte. Eine zweite Kugel hüpfte zu ihrer Rechten über das Wasser und zeichnete eine Linie in die Oberfläche des Sees. V ic warf sich zurück, um von dem schmalen Spalt zwischen den Fässern wegzukommen. Eine dritte Kugel prallte von der verrosteten Edelstahlleiter ab, und eine letzte versank mit einem leisen, unspektakulären Platschen direkt vor dem Floß.
    V ic paddelte mit den Füßen, um sich über Wasser zu halten.
    Sie hörte, wie zwei Autotüren geöffnet und zugeschlagen wurden, und das Knirschen der Reifen, als der Wagen im V orgarten wendete. Dann fuhr der Wraith mit einem Poltern über die kaputten Zaunlatten.
    Möglicherweise war es nur ein Trick – einer der Männer war eingestiegen, während der andere, der Gasmaskenmann mit der Pistole, zurückgeblieben war und sich versteckt hatte. V ic schloss die Augen und lauschte.
    Als sie sie wieder öffnete, fiel ihr Blick auf eine große, haarige Spinne, die in den Überresten ihres Netzes hing. Ein Großteil des Netzes war zerrissen worden und baumelte nun in grauen Fetzen herab. Ihre Welt war zerstört.

SEARCH ENGINE
    6. – 7. Juli

Der See
    S obald Wayne feststellte, dass er auf dem Rücksitz des Wraiths allein war, tat er das einzig Richtige: Er versuchte, sich zu befreien.
    Seine Mutter war den Hügel hinuntergerannt – beinahe hatte es ausgesehen, als würde sie fliegen –, gefolgt von dem humpelnden Gasmaskenmann.

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