Christmasland (German Edition)
Kraushaar runzelte die Stirn und blickte dann auf die laminierte Karte an ihrem Jackett. Darauf stand:
FBI
PSYCH EVAL
Tabitha K. Hutter
Darunter befand sich ein Foto der Frau mit ernstem Gesichtsausdruck.
»Eigentlich sind wir auch noch nicht wirklich involviert«, sagte Hutter. »Aber Sie befinden sich vierzig Minuten von drei Bundesstaatengrenzen entfernt und weniger als zwei Stunden von Kanada. Die Entführer haben Ihren Sohn nun schon seit …«
»Die Entführer? «, sagte V ic. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. »Warum reden alle immer über die Entführer, als wüssten wir nichts über sie? Langsam macht mich das wütend. Charlie Manx ist der Täter. Er und ein weiterer Mann haben meinen Sohn entführt.«
»Charles Manx ist tot, Ms. McQueen. Er ist schon im Mai gestorben.«
»Haben Sie eine Leiche?«
Die Frage ließ Hutter einen Moment lang verstummen. Sie schürzte die Lippen und sagte dann: »Es wurde ein Totenschein ausgestellt. Es gibt Fotos von ihm in der Leichenhalle. Er wurde von einem Leichenbeschauer untersucht. Seine Brust wurde aufgeschnitten. Der Arzt hat ihm das Herz herausgenommen und es gewogen. Das alles sind überzeugende Beweise, dass er Sie nicht angegriffen haben kann.«
»Und ich habe ein halbes Dutzend Beweise dafür, dass er es doch getan hat«, sagte V ic. »Sie müssen sich nur mal meinen Rücken anschauen. Soll ich mich ausziehen und Ihnen die Blutergüsse zeigen? Die anderen Polizisten hier haben sie schon ausgiebig betrachtet.«
Hutter starrte sie an, ohne zu antworten. In ihrem Blick lag die schlichte Neugier eines kleinen Kindes. Es verunsicherte V ic, so intensiv gemustert zu werden. Nur wenige Erwachsene erlaubten sich, jemand so anzuschauen.
Schließlich wandte Hutter den Blick ab und sah zum Küchentisch hinüber. »Wollen wir uns nicht setzen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie ihre Ledertasche und ging damit zum Tisch. Erwartungsvoll blickte sie V ic an.
V ic sah sich Rat suchend nach Chitra um, aber die Polizistin hatte die Sandwiches fertig belegt und verließ gerade mit den Papptellern die Küche.
V ic setzte sich.
Hutter holte ein iPad aus der Tasche, und der Bildschirm leuchtete auf. Jetzt sah sie noch mehr wie eine Studentin aus, eine, die gerade an einer Dissertation über die Brontë-Schwestern schrieb. Sie strich mit dem Finger über den Bildschirm, überflog eine Datei und blickte dann auf.
»Bei seiner letzten medizinischen Untersuchung wurde Charlie Manx auf etwa fünfundachtzig Jahre geschätzt.«
»Sie denken, er ist zu alt, um das hier getan zu haben?«, fragte V ic.
»Und zu tot. Aber erzählen Sie mir, was geschehen ist, damit ich versuchen kann, es zu verstehen.«
V ic beschwerte sich nicht darüber, dass sie die Geschichte nun schon zum dritten Mal erzählte. Hutter war die erste Ermittlerin, auf die es wirklich ankam – falls es auf die Behörden überhaupt ankam. Und davon war V ic nicht überzeugt. Charlie Manx hatte so viele Morde begangen, ohne geschnappt zu werden. Die Netze, mit denen die Polizei ihn zu fangen versuchte, konnten ihn nicht halten. Wie viele Kinder waren in sein Auto eingestiegen und nie wieder gesehen worden?
Hunderte, flüsterte es in ihrem Kopf.
V ic erzählte ihre Geschichte – zumindest die Teile davon, die sie erzählen konnte. Maggie Leigh zum Beispiel ließ sie aus. Und sie erwähnte auch nicht, dass sie mit ihrem Motorrad auf eine überdachte Brücke gefahren war, die nur in ihrer Fantasie existierte. Die Psychopharmaka, die sie abgesetzt hatte, verschwieg sie ebenfalls.
Als V ic berichtete, wie Manx sie mit dem Hammer geschlagen hatte, runzelte Hutter die Stirn. Sie bat V ic, den Hammer genauer zu beschreiben, und tippte auf der Tastatur ihres iPads herum. Sie unterbrach V ic ein weiteres Mal, als V ic ihr erzählte, wie sie aufgesprungen war und Manx mit dem Hakenschlüssel angegriffen hatte.
»Mit was für einem Schlüssel?«
»Einem Hakenschlüssel«, sagte V ic. »Das ist ein spezieller Schraubenschlüssel. Ich habe an meinem Motorrad gearbeitet und hatte ihn deshalb noch in der Tasche.«
»Wo befindet er sich jetzt?«
»Keine Ahnung. Ich hatte ihn in der Hand, als ich weggelaufen bin. Wahrscheinlich hatte ich ihn noch, als ich in den See gesprungen bin.«
»Zu diesem Zeitpunkt hat der andere Mann angefangen, auf Sie zu schießen. Erzählen Sie mir davon.«
V ic gehorchte.
»Er hat Manx ins Gesicht geschossen?«, fragte Hutter.
»Nein, nicht direkt. Er hat ihn aus V
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