Christmasland (German Edition)
Karte. Sie schmeckte nach Pappe.
»War nur ein Spaß!«, krähte Charlie und boxte Bing gegen den Arm. »Für wen hältst du mich? Willy Wonka? Komm rum! Steig ein! Du siehst aus, als würdest du jeden Moment in der Hitze schmelzen, mein Sohn! Komm, ich geb dir ’ne Limo aus! Wir haben was Wichtiges zu besprechen!«
»Geht es um einen Job?«, fragte Bing.
»Es geht um deine Zukunft«, erwiderte Charlie.
Highway 322
» D as ist das schönste Auto, in dem ich je mitgefahren bin«, sagte Bing Partridge, während sie den Highway 322 entlangrasten, wobei der Rolls um die Kurven schnurrte wie ein Kugellager aus rostfreiem Edelstahl.
»Das ist ein Rolls-Royce Wraith aus dem Jahre 1938. Einer von knapp fünfhundert, die in Bristol, England, hergestellt wurden. Ein seltenes Stück … genau wie du, Bing Partridge!«
Bing strich mit der Hand sanft über das genarbte Leder. Das polierte, kirschrote Armaturenbrett und die Gangschaltung glänzten.
»Hat Ihr Nummernschild eine Bedeutung?«, fragte Bing. »En, O, Es, vier, A, zwei?«
»Nosferatu«, sagte Charlie Manx.
»Nosfer… was?«
»Das ist einer meiner kleinen Scherze«, sagte Manx. »Meine erste Frau hat mich immer Nosferatu genannt. Zwar hat sie nicht genau dieses Wort benutzt, aber etwas in der Art. Bist du schon mal mit Giftefeu in Berührung gekommen, Bing?«
»Ja, aber das ist lange her. Bevor mein V ater gestorben ist. Da war ich noch ein Kind, und er hat mich zum Campen mitgenommen, und ich …«
»Wenn er dich nach seinem Tod zum Campen mitgenommen hätte, dann hättest du wirklich was zu erzählen, Junge! Was ich sagen will, ist Folgendes: Meine erste Frau war wie der Ausschlag, den man von Giftefeu bekommt. Ich habe sie gehasst, aber ich konnte trotzdem die Hände nicht von ihr lassen. Sie war wie ein Juckreiz, und ich habe gekratzt, bis das Blut kam, und selbst dann konnte ich nicht aufhören! Ihre Arbeit klingt gefährlich, Mr. Partridge!«
Der Übergang war so abrupt, dass Bing nicht darauf vorbereitet war und ihm erst gar nicht auffiel, dass Manx eine Antwort von ihm erwartete.
»Tatsächlich?«
»In Ihrem Brief erwähnen Sie, dass Sie mit komprimierten Gasen arbeiten«, sagte Manx. »Sind Flaschen mit Helium und Sauerstoff nicht hochgradig explosiv?«
»Oh, na klar. V or ein paar Jahren hat sich mal ein Mitarbeiter an der Laderampe eine Kippe angezündet, direkt neben einer Stickstoffflasche, an der ein V entil offen war. Ein lautes Kreischen war zu hören, und das Ding ist in die Luft gegangen wie eine Rakete. Ist hart genug gegen die Feuertür geknallt, um sie aus den Angeln zu reißen. Und die Feuertür besteht aus Stahl. Damals ist aber niemand zu Tode gekommen. Und seit ich die Leitung übernommen habe, gab’s keinen Unfall mehr. Na jedenfalls fast keinen. Denis Loory hat mal ein bisschen Lebkuchenrauch eingeatmet, aber das zählt eigentlich nicht. Ihm ist nicht mal davon schlecht geworden.«
»Lebkuchenrauch?«
»Das ist ein parfümiertes Sevoflurangemisch, das wir an Zahnärzte liefern. Man bekommt es auch unparfümiert, aber kleine Kinder mögen den Lebkuchenrauch gern.«
»Ach so? Ist das ein Betäubungsmittel?«
»Es versetzt einen in einen Zustand, wo man nichts mehr mitkriegt. Aber man schläft davon nicht ein. Es ist eher so, dass man keine eigenen Gedanken mehr fassen kann und nur noch tut, was man gesagt bekommt.« Bing konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken, dann sagte er beinahe entschuldigend: »Wir haben Denis erzählt, es sei Disco-Zeit, und er fing an, wild rumzuzappeln wie John Ravolta in diesem Film. Wir haben uns vor Lachen weggeschmissen.«
Mr. Manx’ Mund öffnete sich zu einem ansteckenden Grinsen, und er bleckte seine kleinen braunen Zähne. »Männer mit Humor gefallen mir, Mr. Partridge.«
»Sie können mich Bing nennen, Mr. Manx.«
Er wartete darauf, dass Mr. Manx ihm auch den V ornamen anbot, aber das tat er nicht. Stattdessen sagte er: »Die Leute, die zu Disco-Musik tanzen, stehen wohl meist unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen. Das ist die einzig mögliche Erklärung. Nicht dass ich dieses alberne Rumgewackel als Tanz bezeichnen würde. Eher als hirnverbrannten Blödsinn!«
Der Wraith rollte auf den unbefestigten Parkplatz der Franklin Dairy Queen. Auf Asphalt schien der Wraith dahinzugleiten wie ein Segelboot im Wind. Mühe- und geräuschlos. Auf Sand erzeugte er jedoch eher den Eindruck von Masse und Gewicht – ein Panzer, der Lehm unter seinen Ketten zermalmte.
»Wie wär’s, wenn
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