Christmasland (German Edition)
Christmasland! Bitte! Geben Sie mir eine Chance! Kommen Sie zurück!«
Die Bremslichter leuchteten auf. Der Rolls-Royce wurde kurz langsamer, als hätte der Fahrer Bing gehört – dann fuhr er weiter.
»Geben Sie mir eine Chance!«, rief Bing und schrie schließlich aus voller Kehle: »Bitte! Geben Sie mir eine Chance!«
Der Rolls-Royce fuhr die Straße entlang davon, bog um eine Ecke und war verschwunden. Bing blieb schweißüberströmt und mit klopfendem Herzen zurück.
Er stand immer noch da, als der Schichtleiter, Mr. Paladin, zum Rauchen auf die Laderampe hinauskam.
»He, Bing«, rief er. »Der Schwanz ist ja immer noch da. Arbeitest du heute auch noch, oder machst du Urlaub?«
Bing starrte gedankenverloren auf die Straße.
»Weihnachtsurlaub«, sagte er dann, aber so leise, dass Mr. Paladin ihn nicht hören konnte.
*
Er hatte den Rolls-Royce mehrere Wochen lang nicht gesehen, als seine Arbeitszeiten geändert wurden und er eine Doppelschicht in der Firma schieben musste, von sechs bis sechs. In den Lagerräumen war es unwahrscheinlich heiß – so heiß, dass man sich an den eisernen Gasflaschen verbrennen konnte, wenn man sie aus V ersehen berührte. Bing fuhr wie üblich mit dem Bus nach Hause, eine vierzigminütige Fahrt. Aus der Klimaanlage kam nur stinkende Luft, und die ganze Zeit weinte ein Kleinkind.
Er stieg an der Fairfield Street aus und ging die letzten drei Häuserblöcke zu Fuß. Die Luft war kein Gas mehr, sondern eine Flüssigkeit kurz vor dem Siedepunkt. Über dem weichen Asphalt flimmerte es, sodass die Umrisse der Häuser am Ende der Straße schwankten wie Spiegelbilder auf der unruhigen Oberfläche eines Wasserbeckens.
»Hitze, Hitze, mach dich fort«, trällerte Bing vor sich hin. »Geh an einen andren …«
Der Rolls-Royce stand am Ende der Straße vor seinem Haus. Ein Mann lehnte sich aus dem rechten Fenster und drehte den Kopf nach hinten, um Bing zuzulächeln – wie ein alter Freund, der ihn begrüßte. Er winkte ihm mit einer langgliedrigen Hand: Beeil dich.
Bing riss ebenfalls die Hand hoch, um nervös zurückzuwinken, und verfiel in einen watschelnden Laufschritt. Es brachte ihn ein wenig aus dem Konzept, den Rolls-Royce hier stehen zu sehen. Einerseits war er sich ganz sicher gewesen, dass der Mann vom Christmasland ihn irgendwann abholen würde. Aber er hatte auch langsam angefangen, sich Gedanken zu machen, ob seine Träume und das gelegentliche Auftauchen dieses Autos nicht wie Krähen waren, die über etwas Todkrankem kreisten: seinem V erstand. Mit jedem Schritt, den er auf NOS4A2 zu machte, wuchs die Gewissheit in ihm, dass sich der Wagen gleich in Bewegung setzen und davonfahren würde, so wie sonst immer. Aber das tat er nicht.
Der Mann auf dem Beifahrersitz saß natürlich gar nicht auf dem Beifahrersitz, weil es sich bei dem Rolls-Royce um einen alten englischen Wagen handelte und sich das Lenkrad auf der rechten Seite befand. Der Fahrer schenkte Bing ein wohlwollendes Lächeln. Bing wusste auf den ersten Blick, dass der Mann, der wie vierzig aussah, in Wahrheit sehr viel älter sein musste. Seine Augen erinnerten an vom Meerwasser glatt geschliffenes und ausgebleichtes Glas. Es waren alte Augen, unfassbar alt. Der Mann besaß ein langes, von Falten durchzogenes Gesicht, das klug und freundlich aussah, obwohl er einen leichten Überbiss hatte und seine Zähne etwas schief waren. Ein Gesicht wie das seine wurde oft als frettchenhaft beschrieben, aber im Profil hätte es sich auch gut auf einer Münze gemacht.
»Da ist er ja!«, rief der Mann hinter dem Steuer. »Der eifrige, junge Bing Partridge! Der Held des Tages! Wir sollten uns dringend unterhalten, mein Freund! Ich möchte wetten, dass es das wichtigste Gespräch deines Lebens wird!«
»Sind Sie vom Christmasland?«, fragte Bing mit gedämpfter Stimme.
Der alte oder vielleicht auch alterslose Mann legte einen Finger an die Nase. »Darf ich mich vorstellen: Charles Talent Manx der Dritte! Geschäftsführer von Christmasland Enterprises, Leiter von Christmasland Entertainment, Präsident des V ergnügens! Außerdem Seine Eminenz, King Shit von Scheißhausen, aber das steht nicht auf meiner V isitenkarte.« Er schnippte mit den Fingern und zauberte aus dem Nichts eine V isitenkarte herbei. Bing nahm sie entgegen und warf einen Blick darauf.
»Wenn man an der Karte leckt, kann man die Zuckerstangen schmecken«, sagte Charlie.
Bing zögerte einen Moment, dann leckte er mit seiner rauen Zunge über die
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