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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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an den Seiten und Chromaufsätzen. Seine Rücklichter funkelten rot in der Dunkelheit und beleuchteten das Nummernschild: NOS4A2 . Dann verschwand er um die Ecke und mit ihm die fröhliche Weihnachtsmusik.

NorChemPharm
    B ing wusste, dass der Mann vom Christmasland zu ihm kommen würde, lange bevor Charlie Manx ihn einlud, bei ihm mitzufahren. Er wusste auch, dass der Mann vom Christmasland nicht wie andere Menschen und der Job als Sicherheitsmann im Christmasland nicht wie andere Jobs sein würde. Und er wurde nicht enttäuscht.
    Er wusste das wegen der Träume, die ihm lebendiger und realer vorkamen als alles, was er je in wachem Zustand erlebt hatte. In den Träumen konnte er das Christmasland nie wirklich betreten, aber er sah es durch sein Fenster oder die Tür. Er roch Pfefferminze und Kakao, und er sah die Kerzen an dem riesigen Weihnachtsbaum. Er hörte das Poltern und Krachen der Wagen auf der alten, hölzernen Schlittenachterbahn. Er hörte auch die Musik und die Schreie der Kinder. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, sie würden bei lebendigem Leib abgeschlachtet.
    Er wusste es wegen der Träume, aber auch wegen des Autos. Das nächste Mal sah er es während der Arbeit, als er sich gerade bei der Laderampe aufhielt. Ein paar Jugendliche hatten die Rückseite des Gebäudes vollgesprüht. Sie hatten mit ihren Spraydosen einen großen Schwanz mit Eiern gemalt, der schwarze Wichse auf ein paar rote Kugeln spritzte, die wahrscheinlich Brüste sein sollten, in Bings Augen aber wie Weihnachtsschmuck aussahen. Bing war in seinem Gummischutzanzug und der Gasmaske draußen, mit einem Eimer verdünnter Lauge, um mit einer Drahtbürste die Farbe von der Wand zu kratzen.
    Bing arbeitete gern mit Lauge. Es gefiel ihm, wie die Farbe einfach darunter wegschmolz. Denis Loory, der Autist aus der Morgenschicht, hatte einmal behauptet, man könnte mit Lauge sogar den Körper eines Menschen auflösen. Sie hatten daraufhin eine tote Fledermaus in einen Eimer Lauge geworfen und sie einen Tag lang dringelassen. Am nächsten Morgen waren nur noch unecht aussehende, halb durchsichtige Knochen übrig gewesen.
    Er trat einen Schritt zurück, um seine Arbeit zu begutachten. Die Eier waren schon fast weg, und darunter war wieder die rote Steinmauer zum V orschein gekommen. Nur der große schwarze Schwanz und die Brüste waren noch übrig. Da fiel plötzlich sein eigener Schatten scharf umrissen auf den unverputzten Stein.
    Er drehte sich um und sah den schwarzen Rolls-Royce: Der Wagen stand auf der anderen Seite des Maschendrahtzauns, und seine hohen, nahe beieinanderliegenden Scheinwerfer strahlten ihn an.
    Man konnte sein ganzes Leben lang V ögel betrachten, ohne einen Spatz von einer Amsel unterscheiden zu können. Wenn man aber einen Schwan sah, dann wusste man das sofort. Genauso war es auch mit Autos. Auch wenn man einen Firebird nicht von einem Fiero unterscheiden konnte, einen Rolls-Royce erkannte man immer.
    Bing lächelte bei seinem Anblick und spürte, wie ihm das Blut ins Herz strömte. Jetzt, dachte er, wird er die Tür öffnen und sagen: »Sind Sie der junge Mann, Bing Partridge, der sich auf eine Stelle im Christmasland beworben hat?« Und dann wird mein Leben endlich beginnen.
    Doch die Tür öffnete sich nicht … noch nicht. Der Mann hinter dem Steuer – über das helle Leuchten der Scheinwerfer hinweg konnte Bing sein Gesicht nicht erkennen – rief auch nicht nach ihm oder rollte das Fenster hinunter. Er blendete jedoch einmal grüßend die Fernscheinwerfer auf, bevor er das Auto in einem weiten Kreis herumzog, sodass es nun mit dem Heck zum Gebäude stand.
    Bing nahm die Gasmaske ab und klemmte sie sich unter den Arm. Ihm war heiß, und die frische Luft fühlte sich auf der nackten Haut angenehm kühl an. Bing hörte Weihnachtsmusik aus dem Auto herüberwehen. »Joy to the World«. Ja, genau so fühlte er sich.
    Ob der Mann hinter dem Steuer wollte, dass er zu ihm kam? Dass er seine Maske weglegte, den Eimer mit Lauge stehen ließ, um den Zaun herumging und auf den Beifahrersitz kletterte? Aber kaum hatte er einen Schritt vorwärts gemacht, als das Auto sich auch schon in Bewegung setzte und die Straße entlang davonfuhr.
    »Warten Sie!«, rief Bing. »Fahren Sie nicht weg! Warten Sie!«
    Der Anblick des davonfahrenden Rolls-Royce – das Nummernschild NOS4A2 , das immer kleiner wurde – erschütterte ihn.
    In beinahe panikartiger Aufregung schrie Bing: »Ich habe es gesehen! Das

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