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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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liebte – trotz allem.
    Dann war Chris McQueen fort. Sie musste ihn loslassen. Sie musste ohne ihn weiterfahren.
    Fledermäuse schrillten durch die Finsternis. Sie hörten ein Geräusch, als würde jemand einen Satz Spielkarten mischen, nur vielfach verstärkt. Lou drehte den Kopf, um zu den Balken hinaufzuschauen. Der große, sanfte, unerschütterliche Lou schrie nicht, machte kaum ein Geräusch, aber er schnappte nach Luft und duckte sich, als er die Fledermäuse sah, die aufgeschreckt von der Decke fielen und auf sie herabsegelten. Sie waren überall, streiften ihre Arme und Beine. Eine von ihnen flitzte an V ics Kopf vorbei, und sie spürte, wie ihr ein Flügel über die Wange strich. Sie erhaschte einen Blick auf das Gesicht des Tiers: Es war klein, rosafarben, missgestaltet und trotzdem irgendwie menschlich. Es war ihr eigenes Gesicht. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszuschreien, um das Steuer gerade zu halten.
    Inzwischen hatte das Motorrad fast das andere Ende der Brücke erreicht. Ein paar der Fledermäuse flatterten träge in die Nacht hinaus, und V ic dachte: Da geht er hin, mein Verstand!
    Ihr altes Raleigh Tuff Burner tauchte plötzlich vor ihr auf. Es schien auf sie zuzurasen, direkt ins Scheinwerferlicht der Triumph hinein. Eine halbe Sekunde zu spät begriff sie, dass sie mit ihm zusammenstoßen und dass das schreckliche Folgen haben würde. Das V orderrad krachte genau in das Raleigh hinein.
    Die Triumph blieb an dem verrosteten, von Spinnweben bedeckten Fahrrad hängen, und als sie aus der Brücke hinausglitt, kippte sie bereits zur Seite hin weg. Ein Dutzend Fledermäuse schoss mit ihnen ins Freie.
    Die Reifen schrammten erst über Erde, dann über Gras. V ic sah, wie der Boden sich von ihnen entfernte, wie sie einer Böschung entgegensegelten. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Reihe von Tannen wahr, die mit Engeln und Schneeflocken geschmückt waren.
    Dann stürzten sie einen Abhang hinunter. Das Motorrad überschlug sich, warf sie ab und krachte, eine Lawine aus heißem Stahl, auf sie beide herab. Die Welt riss auf, und sie wurden von Finsternis verschluckt.

Das Sleigh House
    L ou war schon fast eine Stunde lang wach, als er ein leises Knistern hörte und kleine weiße Flocken auf das trockene Laub ringsherum fallen sah. Er legte den Kopf in den Nacken und blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Nacht. Es hatte angefangen zu schneien.
    »Lou?«, fragte V ic.
    Allmählich wurde sein Nacken steif, und es tat weh, wenn er das Kinn senkte. Er schaute zu V ic hinüber, die rechts von ihm auf der Erde lag. Eben hatte sie noch geschlafen, aber jetzt war sie bei ihm, die Augen weit offen.
    »Ja«, sagte er.
    »Ist meine Mutter noch da?«
    »Schatz, deine Mutter singt mit den Engeln«, sagte er.
    »Engel«, sagte V ic. »Da sind Engel in den Bäumen.« Dann: »Es schneit.«
    »Ich weiß. Im Juli. Ich habe mein ganzes Leben in den Bergen verbracht. Ich kenne Gegenden, wo der Schnee das ganze Jahr über liegen bleibt, aber um diese Jahreszeit habe ich es nie irgendwo schneien sehen. Nicht einmal hier oben.«
    »Wo sind wir?«, fragte sie.
    »Direkt oberhalb von Gunbarrel. Wo alles angefangen hat.«
    »Es hat im Terry’s Primo Subs angefangen, als meine Mutter ihren Armreif auf der Toilette vergessen hat. Wohin ist sie denn gegangen?«
    »Sie war gar nicht hier. Sie ist tot, V ic. Weißt du nicht mehr?«
    »Sie hat eine Weile bei uns gesessen. Da drüben.« V ic hob den rechten Arm und deutete die Böschung hinauf. Die Räder der Triumph hatten tiefe Furchen in den Hang gepflügt. »Sie hat etwas über Wayne gesagt. Sie hat gesagt, dass Wayne noch ein bisschen Zeit hat, wenn er im Christmasland eintrifft, denn er hat die V erwandlung umgekehrt. Zwei Schritte zurück für jede Meile vorwärts. Er wird keines dieser Ungeheuer sein. Noch nicht.«
    Sie lag auf dem Rücken, die Arme eng an den Körper gepresst, die Beine gerade ausgestreckt. Lou hatte seinen flanellgefütterten Mantel über ihr ausgebreitet; er war so groß, dass er ihr bis über die Knie reichte, wie eine Kinderdecke. V ic drehte den Kopf und sah ihn an. Ihr leerer Blick machte ihm Angst.
    »Ach, Lou«, sagte sie. »Dein armes Gesicht.«
    Er fasste sich an die rechte Wange; sie war vom Mundwinkel bis zur Augenhöhle geschwollen und empfindlich. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie das passiert war. Auf dem linken Handrücken hatte er eine böse V erbrennung, die ziemlich schmerzte. Am Ende ihrer Rutschpartie war seine

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