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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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denken musste. V ic ließ die Kupplung ein Stück kommen, und das Motorrad machte einen Satz nach vorn. Sie wollte die Kinder, die sie umzingelt hatten, auf Abstand halten. Rasch drehte sie das ANFO um, stellte die Zeitschaltuhr auf etwa fünf Minuten und drückte auf den Einschaltknopf. Fast erwartete sie, dass ein weißer Blitz die Welt auslöschen würde, und ihre Eingeweide krampften sich zusammen. Aber nichts geschah. Rein gar nichts. V ic war sich nicht einmal sicher, ob die Zeitschaltuhr überhaupt funktionierte. Sie machte jedenfalls kein Geräusch.
    V ic hielt den Plastikbeutel in die Höhe.
    »An diesem Ding hängt eine beschissene kleine Zeitschaltuhr, Manx. Ich denke mal, es geht in drei Minuten hoch, aber ich kann mich auch um zwei Minuten verschätzen. Und im Rucksack ist noch eine ganze Menge mehr davon. Schick Wayne zu mir her. Jetzt sofort. Wenn er auf dem Motorrad sitzt, schalte ich es aus.«
    »Was hast du denn da?«, fragte Manx. »Sieht aus wie eins von diesen Kissen, die man im Flugzeug bekommt. Ich bin einmal geflogen, von St. Louis nach Baton Rouge. Das mach ich nie wieder! Ich bin froh, dass ich mit dem Leben davongekommen bin. Die Maschine ist die ganze Zeit wie an einer Schnur auf und ab gehüpft. Gott hat mit uns Jo-Jo gespielt.«
    »Das ist ein Haufen Scheiße«, sagte V ic. »Wie du.«
    »Ein Haufen … was hast du gesagt?«
    »Das ist ANFO . Angereichertes Düngemittel. In Diesel getränkt hat das Zeug fast so viel Sprengkraft wie eine Kiste TNT . Mit ein paar von den Dingern hat Timothy Mc V eigh ein zwölfstöckiges Gebäude zerstört. Ich kann das Gleiche mit deiner ganzen kleinen Welt hier machen und mit allen, die sich darin aufhalten.«
    Selbst auf die Entfernung von zehn Metern konnte V ic erkennen, wie es hinter Manx’ Stirn arbeitete. Nach kurzem Zögern lächelte er breit. »Ich glaube nicht, dass du das tun wirst. Dich und deinen Sohn mit in die Luft sprengen. Du müsstest verrückt sein.«
    »O Mann«, sagte sie. »Das hast du aber früh gemerkt.«
    Sein Grinsen verschwand nach und nach. Die Augenlider sanken herab, und der Blick wurde stumpf. Enttäuschung schlich sich in seine Miene.
    Schließlich öffnete er den Mund und schrie los, und in dem Moment schlug auch der Mond die Augen auf und stimmte mit ein.
    Das Auge des Mondes trat blutunterlaufen aus seiner Höhle, eine Eiterblase mit einer Iris. Sein Mund war ein schartiger Riss in der Nacht. Seine Stimme war Manx’ Stimme, allerdings so verstärkt, dass sie geradezu ohrenbetäubend klang:
    » PACKT SIE! TÖTET SIE!
    SIE IST HIER, UM WEIHNACHTEN ABZUSCHAFFEN! TÖTET SIE JETZT! «
    Der Boden erbebte. Die Äste des riesigen Weihnachtsbaums peitschten durch die Finsternis. V ic entglitt der Bremshebel, und die Triumph ruckte einen weiteren halben Meter nach vorn. Der Rucksack mit dem ANFO rutschte ihr vom Schoß und fiel aufs Pflaster.
    Gebäude erzitterten unter dem Geschrei des Mondes. V ic hatte noch nie ein Erdbeben erlebt, und ihr blieb die Luft weg – wortloses Entsetzen packte sie, weit unterhalb der Ebene bewussten Denkens und der Sprache. Der Mond fing an zu kreischen, ein unverständliches, zorniges Gebrüll, das die Schneeflocken wild durcheinanderwirbelte.
    Das dicke Mädchen trat einen Schritt vor und warf das Beil nach V ic wie ein Apache in einem Western. Die schwere stumpfe Seite traf V ic an ihrem verletzten linken Knie, und für einen Augenblick löschte der Schmerz die Welt aus.
    V ics Hände ließen erneut die Bremse los, und die Triumph machte einen weiteren Satz nach vorn. Der Rucksack blieb jedoch nicht auf dem Pflaster liegen, sondern wurde mitgeschleift. Ein Gurt war an einer der hinteren Fußrasten hängen geblieben, die Lou heruntergeklappt hatte, als er hinten aufgestiegen war. Lou Carmody, dein Freund und Helfer. Sie hatte das ANFO noch, auch wenn es außer Reichweite war.
    ANFO . Sie drückte sich den Beutel zusammen mit einer tickenden Zeitschaltuhr an die Brust. Allerdings tickte sie nicht wirklich und machte auch sonst kein Geräusch, das nahelegte, dass sie funktionierte.
    Bloß weg damit, dachte sie bei sich. Irgendwohin, damit er sieht, wie viel Schaden diese Dinger anrichten können.
    Die Kinder stürmten auf sie los. Sie kamen unter dem Baum hervorgestürzt und strömten über das Pflaster. Hinter sich hörte V ic das leise Trippeln von Füßen. Sie drehte sich nach Wayne um und sah, dass das hochgewachsene Mädchen immer noch die Arme um ihn geschlungen hatte. Die beiden standen

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