Christmasland (German Edition)
Kinder die Bilder darin anschauen konnten. Sie las ihnen etwas vor, was V ic durch die Steinmauer und über das Blubbern des Sprudlers im Aquarium hinweg nicht verstehen konnte.
»Du kommst gerade rechtzeitig zur V orlesestunde«, sagte Maggie. »Das ist für mich die sch-sch-schönste Stunde des Tages.«
»Nettes Aquarium.«
»Ja, aber ’nem Fisch den Hintern zu putzen ist ’ne Scheißarbeit«, sagte Maggie, und V ic musste sich auf die Zunge beißen, um nicht vor Lachen loszuprusten.
Maggie grinste, und ihre Grübchen tauchten wieder auf. Mit ihren Pausbacken und den leuchtenden Augen sah sie sehr niedlich aus. Wie die Punkversion einer Keebler-Elfe.
»Die Scrabble-Steine sind von mir. Ist mein absolutes Lieblingsspiel. Aber zweimal im Monat muss ich sie rausholen und abschrubben. Total nervig. Magst du Scrabble?«
V ic betrachtete erneut Maggies Ohrringe, und erst jetzt fiel ihr auf, dass an dem einen der Buchstabe F und an dem anderen ein U hing.
»Hab ich noch nie gespielt. Aber mir gefallen deine Ohrringe«, sagte V ic. »Hast du deswegen schon mal Probleme gekriegt?«
»Nö. Eine Bibliothekarin schaut sich keine s-s-so genau an. Die Leute haben Angst, dass s-s-sie meine Weisheit blenden könnte. Ob du’s glaubst oder nicht: Ich bin zwanzig Jahre alt und gehöre zu den fünf besten S-S-Scrabble-Spielern des ganzen Bundesstaates. Aber das sagt wahrscheinlich mehr über Iowa aus als über mich.« Sie klebte das Pflaster auf V ics Knie. »So. Erledigt.«
Maggie drückte ihre Zigarette in einer Blechdose aus, die halb mit Sand gefüllt war, und ging zum Wasserkocher. Kurz darauf kehrte sie mit zwei Tassen zurück. Auf der einen stand: REDEN IST SILBER, LESEN IST GOLD. Und auf der anderen: VORSICHT, BISSIGE BIBLIOTHEKARIN. Als V ic ihre Tasse entgegennahm, beugte Maggie sich vor, um eine Schublade an ihrem Schreibtisch zu öffnen. Es war die Schublade, wo ein Privatdetektiv seine Schnapsflasche aufbewahren würde. Maggie holte einen alten Beutel aus lilafarbenem Samtimitat hervor, in den in verblassenden goldenen Buchstaben das Wort SCRABBLE eingeprägt war.
»Du hast mich gefragt, woher ich von dir wusste. Woher ich wusste, dass du hierherkommen würdest. Sss-ss-sss…« Ihre Wangen wurden vor Anstrengung rot.
»Scrabble? Es hat etwas mit Scrabble zu tun?«
Maggie nickte. »Danke, dass du den Satz für mich beendet hast. Die meisten Leute, die st-st-stottern, mögen es nicht, wenn man ihre S-S-Sätze für sie beendet. Aber wie wir bereits festgestellt haben, steh ich auf Mitleidsgesten.«
V ic spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, obwohl Maggie nicht im Geringsten sarkastisch klang. Irgendwie wurde es dadurch nur noch schlimmer. »Tut mir leid.«
Maggie schien sie nicht gehört zu haben. Sie setzte sich auf einen Stuhl mit gerader Lehne neben dem Schreibtisch.
»Du bist mit deinem Fahrrad über die Brücke gekommen«, sagte Maggie. »Kannst du denn ohne das Rad zur Brücke gelangen?«
V ic schüttelte den Kopf.
Maggie nickte. »Nein. Du benutzt das Rad, um die Brücke herbeizuträumen. Und dann fährst du da rüber, um verlorene Gegenstände zu finden, oder? Dinge, die du brauchst? Und egal, wie weit diese Dinge in Wahrheit entfernt sind, sie befinden sich immer auf der anderen S-S-Seite der Brücke, nicht wahr?«
»Ja. Ja. Aber ich weiß nicht, wie ich das mache und warum ich das kann. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mir das alles nur einbilde. Dann denke ich, dass ich vielleicht verrückt werde.«
»Du bist nicht verrückt. Du bist kreativ! Eine starke Kreative. Genau wie ich. Du hast dein Fahrrad, ich meine Buchstabensteine. Als ich zwölf war, habe ich auf einem Garagenverkauf ein altes S-S-Scrabble-Spiel für einen Dollar gesehen. Das Spielbrett war ausgeklappt und ein Wort schon fertig gelegt. Ich wusste s-s-sofort, dass ich es haben musste. Ich hätte alles dafür gegeben. Und wenn es nicht zum V erkauf gestanden hätte, dann hätte ich es mir einfach s-s-so unter den Arm geklemmt und wäre damit weggerannt. Schon als ich nur in die Nähe dieses Scrabble-Bretts gekommen bin, ist die ganze Umgebung ausgeflippt. Eine Spielzeuglok schaltete sich von selbst ein und entgleiste. Am Ende der Straße ging eine Autoalarmanlage los. In der Garage befand sich auch ein Fernseher, und als ich das S-S-Scrabble-Brett sah, spielte er völlig verrückt. Da kamen nur noch ein Haufen St-St-St…«
»Störgeräusche«, sagte V ic, obwohl sie sich eben erst vorgenommen hatte, Maggies
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