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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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der Stelle hab ich mir schon immer eine Brücke gewünscht«, sagte das Mädchen. »Sie hätte kaum an einem besseren Ort landen können.«
    V ic richtete sich auf einem Ellbogen auf und sah zu der Brücke hinüber, die jetzt über einen laut gurgelnden, braunen Fluss führte. Er war fast so breit wie der Merrimack, auch wenn die Uferböschung niedriger war. Kleine Gruppen von Birken und jahrhundertealten Eichen säumten seinen Rand, der sich nur wenige Meter unterhalb des sandigen Uferwegs befand.
    »Ist sie tatsächlich dort gelandet? Also, vom Himmel runtergefallen?«
    Das Mädchen blickte immer noch zu der Brücke hinüber. Ihr starrer Blick erinnerte V ic an Leute, die gern Gras rauchten und Phish hörten. »Hm, nein. Es war eher wie ein Polaroid, das sich entwickelt. Hast du schon mal ein Polaroid ges-s-sehen?«
    V ic nickte und sah im Geist vor sich, wie das braune Quadrat langsam heller wurde und immer mehr Details zu erkennen waren, Gegenstände auftauchten, die Farbe annahmen.
    »Da standen vorher ein paar alte Eichen. Die sind jetzt wohl hinüber.«
    »Ich glaube, die Bäume werden wieder auftauchen, wenn ich weg bin«, sagte V ic – bei genauerem Nachdenken war sie sich allerdings gar nicht so sicher, ob das stimmte. Sie hatte das Gefühl, dass es so sein müsse. Aber einen Beweis dafür hatte sie nicht. »Du wirkst nicht besonders überrascht darüber, dass meine Brücke einfach so aus dem Nichts aufgetaucht ist.« V ic musste an Mr. Eugley denken, der sich zitternd die Augen zugehalten und gerufen hatte, sie solle verschwinden.
    »Ich habe nach dir Ausschau gehalten. Ich hätte nicht gedacht, dass du s-s-so einen coolen Auftritt hinlegen würdest, aber ich wusste schon, dass du nicht s-s-s…« Plötzlich verstummte das Mädchen mitten im Satz. Sie hatte den Mund geöffnet, um weiterzureden, aber es kam kein Laut mehr über ihre Lippen. Ihr Gesicht wirkte angestrengt, so als versuchte sie, etwas sehr Schweres anzuheben – ein Klavier oder ein Auto. Ihre Augen quollen aus den Höhlen, und ihre Wangen röteten sich. Sie zwang sich auszuatmen und sprach dann genauso abrupt weiter. »… wie ein normaler Mensch hierherkommen würdest. Entschuldige, ich st-st-stottere ein bisschen.«
    »Du hast nach mir Ausschau gehalten?«
    Das Mädchen nickte, hatte den Blick aber wieder auf die Brücke gerichtet. In trägem, beinahe träumerischem Ton fragte sie: »Deine Brücke … die führt nicht zur anderen Seite des Cedar River, oder?«
    »Nein.«
    »Also, wohin führt sie?«
    »Nach Haverhill.«
    »Ist das hier in Iowa?«
    »Nein. In Massachusetts.«
    »O Mann. Dann kommst du ja von weit her. Du bist hier in der Kornkammer Amerikas gelandet. Hier ist alles flach außer den Mädchen.« Einen Augenblick lang war sich V ic ziemlich sicher, dass das Mädchen sie anzüglich angrinste.
    »Moment mal … hast du gerade gesagt, du hättest nach mir Ausschau gehalten?«
    »Na, was denkst du denn? Ich rechne schon seit Monaten mit dir. Hab schon nicht mehr daran geglaubt, dass du noch kommst. Du bist das Gör, oder?«
    V ic öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus.
    Ihr Schweigen war Antwort genug. Und das Mädchen war offensichtlich zufrieden, dass es sie hatte überraschen können. Lächelnd schob sie eine Strähne ihres purpurroten Haars hinter ein Ohr. Mit ihrer Stupsnase und den spitzen Ohren hatte sie etwas Elfenhaftes an sich. Es konnte aber auch an der Umgebung liegen: Sie befanden sich auf einem grasbewachsenen Hügel im Schatten einiger grüner Eichen, zwischen dem Fluss und einem hohen Gebäude, das von hinten wie eine Kathedrale oder ein College aussah – eine Festung aus Zement und Granit mit weißen Türmchen und schmalen Fensterschlitzen, durch die man wunderbar Pfeile hätte schießen können.
    »Ich dachte, du seist ein Junge. Ich hatte mit jemand gerechnet, der keinen Salat isst und in der Nase bohrt. Wie stehst du zu Salat?«
    »Bin kein großer Fan davon.«
    Das Mädchen ballte die Fäuste und schüttelte sie über dem Kopf. »Wusste ich’s doch!« Dann senkte sie die Fäuste wieder und runzelte die Stirn. »Bohrst du auch in der Nase?«
    »Ich bin doch kein kleines Kind mehr«, sagte V ic. »Hast du gesagt, wir sind hier in Iowa?«
    »Klar!«
    »Wo in Iowa?«
    »Hier«, sagte das Mädchen mit dem Hut.
    »Ja«, sagte V ic, die sich langsam ein bisschen veralbert vorkam. »Schon klar. Aber wo hier? «
    » Hier in Iowa. Das ist der Name der Stadt. Wir stehen vor der öffentlichen Bibliothek

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