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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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verfolgte seine eigenen Ziele.
    Lou hatte mit dem Geld seiner Eltern eine Autowerkstatt eröffnet. Sie lebten jetzt in einem Trailer auf dem Gelände der Werkstatt, drei Kilometer außerhalb von Gunbarrel und mitten im Nirgendwo. V ic besaß kein Auto und verbrachte gute einhundertsechzig Stunden die Woche zu Hause. Im Wohnwagen roch es nach vollgepinkelten Windeln und Motoröl, und im Spülbecken türmte sich ständig das Geschirr.
    Rückblickend betrachtet wunderte es V ic eigentlich, dass sie nicht schon früher durchgedreht war. Dass nicht noch mehr junge Mütter verrückt wurden. Wenn die eigenen Brüste zur Kantine werden und hysterisches Weinen und wildes Gelächter zum Soundtrack deines Lebens, wie sollte man da nicht ausflippen?
    Manchmal flüchtete sie. Wenn es schneite, ließ sie Wayne bei Lou und lieh sich den Abschleppwagen, unter dem V orwand, damit zum Kaffeetrinken in die Stadt zu fahren. Aber das tat sie nicht. V ic wollte nicht, dass die beiden die Wahrheit erfuhren. Was sie bei diesen Gelegenheiten tatsächlich tat, kam ihr zu persönlich vor, fast so, als müsste sie sich dafür schämen.
    So war es auch an jenem Tag, als sie alle zusammen im Wohnwagen hockten: Wayne schlug mit einem Löffel auf ein Spielzeug-Xylofon, Lou verbrannte auf dem Herd Pfannkuchen, und aus dem Fernseher plärrte die Trickfilmserie Dora the fucking Explorer . V ic ging auf den Hof hinaus, um eine zu rauchen. Draußen war es blau. Der Schnee fiel zischend auf die Bäume. Und als sie ihre American Spirit so weit runtergeraucht hatte, dass sie sich die Finger daran verbrannte, wusste sie, es war mal wieder so weit. Sie musste mit dem Wagen los.
    Sie lieh sich die Schlüssel von Lou, zog sich den Colorado-Avalanche-Hoodie über und ging zur Werkstatt, die an diesem frostigen blauen Sonntagmorgen geschlossen war. Drinnen roch es nach Metall und Motoröl, ein Geruch, der an Blut erinnerte. Wayne roch ständig so, und sie hasste den Geruch. Der Junge, Bruce Wayne Carmody – Bruce für seine Großeltern väterlicherseits, Wayne für V ic und die kleine Fledermaus für Lou –, verbrachte den Großteil des Tages in der Mitte eines Monstertruckreifens und gluckste vor sich hin. Den Reifen benutzten sie als Laufstall. Der V ater von V ics Kind war ein Mann, der nur zwei Unterhosen besaß und eine Tätowierung des Jokers auf der Hüfte hatte. Was zur Hölle machte sie hier, inmitten der hohen Berge, dem vielen Schnee und all der Hoffnungslosigkeit? Sie konnte es sich nicht erklären. Früher war es ihr so leichtgefallen, den richtigen Ort zu finden.
    In der Werkstatt, einen Fuß auf dem Trittbrett des Abschleppwagens, hielt sie inne. Lou hatte gerade einen Auftrag an Land gezogen: Er verpasste dem Motorrad eines Freundes eine neue Lackierung. Den Benzintank hatte er bereits schwarz grundiert – er besaß nun Ähnlichkeit mit einer Waffe, einer Bombe.
    Neben dem Motorrad auf dem Boden lag ein Blatt Transferfolie mit einem brennenden Schädel darauf, unter dem die Worte HARD CORE standen. V ic warf einen Blick auf Lous Zeichnung und wusste, dass er den Auftrag vermasseln würde. Es war merkwürdig: Beim Anblick der unbeholfenen Zeichnung mit ihren offensichtlichen Mängeln zog sich ihr beinahe schmerzhaft das Herz zusammen. Sie liebte ihn … und fühlte sich zugleich schuldig. Selbst damals wusste sie schon, dass sie ihn irgendwann verlassen würde. Und dass Lou – und Wayne – etwas Besseres verdient hatten als V ic McQueen.
    Der Highway schlängelte sich über drei Kilometer den Berg hinunter bis nach Gunbarrel, wo es ein paar Cafés, Kerzenläden und ein Wellness-Center gab, das Frischkäse-Gesichtsmasken anbot. Auf halbem Wege bog V ic jedoch auf eine unbefestigte Seitenstraße ein, die durch den Wald tief ins Holzfällergebiet führte.
    Sie schaltete die Scheinwerfer ein und gab Stoff. Dabei hatte sie das Gefühl, sich von einer Klippe zu stürzen, Selbstmord zu begehen.
    Der große Ford brach durch das Unterholz und holperte über Spurrillen und andere Unebenheiten hinweg. Sie fuhr viel zu schnell, raste um die Kurven und wirbelte Schnee und Steine auf.
    Sie suchte nach etwas. Konzentriert starrte sie ins Scheinwerferlicht, das ein Loch in den herabfallenden Schnee schnitt wie ein weißer Durchgang. Der Schnee peitschte an ihr vorbei, als würde sie durch einen Tunnel voller Störgeräusche fahren.
    V ic spürte, dass sie ganz in der Nähe war, die Shorter Way Bridge. Sie wartete auf sie irgendwo da draußen. Möglicherweise

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