Christmasland (German Edition)
breiten, irgendwie femininen Lippen. Hicks hatte das Kühlfach herausgezogen und die Hände des Rockstars an dessen Stirn gelegt, um Teufelshörner zu formen. Dann hatte er sich vorgebeugt, ebenfalls Hörner geformt und ein Foto davon geschossen. Die Augenlider des Rockstars waren nach unten gesunken, und er hatte schläfrig und cool ausgesehen.
Hicks’ Freundin Sasha hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass in der Leichenhalle ein berühmter Serienmörder lag. Sie war Krankenschwester in der Pädiatrie, acht Stockwerke höher. Ihr gefielen seine Fotos mit berühmten Toten, und sie war immer die Erste, die sie zu sehen bekam. Sasha fand Hicks urkomisch. Sie sagte, er müsste einmal bei der Daily Show auftreten. Hicks mochte Sasha auch. Sie hatte einen Schlüssel zum Arzneimittelraum, und samstagabends ließ sie immer was Schönes mitgehen, ein bisschen Oxy oder medizinisches Kokain. In den Pausen suchten sie sich einen leeren Kreißsaal, und Sasha zog die Hose unter ihrem Krankenschwesternkittel aus und stieg auf den Gebärstuhl.
Der Name des Serienmörders sagte Hicks nichts, deshalb suchte Sasha auf dem Computer in der Schwesternstation ein paar Artikel über ihn heraus. Auf den Fotos sah er ziemlich fies aus, ein kahlköpfiger Typ mit schmalem Gesicht und schiefen, scharfen Zähnen. Seine Augen glotzten rund und blöde aus eingesunkenen Höhlen. In der Bildunterschrift hieß es, Charles Talent Manx sei vor mehr als zehn Jahren im Gefängnis gelandet, weil er vor einem Dutzend Zeugen irgendeinen Pechvogel bei lebendigem Leib verbrannt hatte.
»So richtig schlimm war der gar nicht«, sagte Hicks. »Hat ja bloß einen Menschen umgebracht.«
»Äh, äh. Der war schlimmer als John Wayne Stacy. Hat in seinem Haus eine ganze Menge Kinder abgemurkst. Und dann hat er ihnen zu Ehren Engelchen in die Bäume gehängt, für jedes Kind einen. Total abgefahren. Was für eine gruselige Symbolik! Kleine Weihnachtsengel. Sein Haus haben sie das Sleigh House genannt. Kapierst du das, Hicks?«
»Nein.«
»Du weißt schon, ›sleigh‹ wie der Schlitten vom Weihnachtsmann und ›slay‹ für ›umbringen‹. Kapierst du’s jetzt?«
»Nein.« Er begriff nicht, was der Weihnachtsmann mit einem Typen wie Manx zu tun haben sollte.
»Das Haus ist niedergebrannt, aber der Weihnachtsschmuck hängt immer noch dort in den Bäumen, wie bei einer Gedenkstätte.« Sie zog an der Kordel ihres Schwesternkittels. »Serien mörder machen mich total heiß. Ich muss immer daran denken, was ich alles tun würde, damit mich so einer nicht umbringt. Schieß mal ein Foto mit ihm und schick’s mir per Mail. Und dann sag mir, was du mit mir machen wirst, wenn ich mich nicht für dich ausziehe.«
Dagegen gab es nichts einzuwenden, und Hicks musste sowieso seine Runde drehen. Wenn der Kerl wirklich einen Haufen Leute umgebracht hatte, wäre das Foto eine tolle Ergänzung für seine Sammlung. Hicks hatte schon jede Menge lustige Bilder gemacht, auf einem Foto mit einem Serienmörder könnte er seine dunklere, ernstere Seite in Szene setzen.
Allein im Fahrstuhl zog Hicks seine Waffe und richtete sie auf sein Spiegelbild. »Entweder ich steck dir die hier in den Mund, Baby, oder meinen fetten Schwanz.« Das würde Sasha bestimmt gefallen.
In diesem Moment ging sein Walkie-Talkie an, und sein Onkel sagte: »Ey, du Blödmann, wenn du weiter mit der Waffe rumspielst, schaffst du es vielleicht noch, dich umzubringen. Dann können wir endlich jemand einstellen, der tatsächlich seinen Job macht.«
Er hatte ganz vergessen, dass im Fahrstuhl eine Kamera installiert war. Zum Glück gab es kein verborgenes Mikrofon. Hicks schob seine .38er wieder ins Holster und senkte den Kopf, in der Hoffnung, dass der Rand seines Hutes sein Gesicht verbarg. Einen Moment lang rang er mit seinem Ärger und seiner V erlegenheit, dann drückte er auf die Sprechtaste des Walkie-Talkies, um dem alten Scheißkerl mal so richtig die Meinung zu sagen. Heraus kam allerdings nur ein piepsiges » V erstanden«, für das er sich selbst verabscheute.
Sein Onkel Jim hatte ihm den Job als Sicherheitsmann besorgt und dabei über ein paar Dinge großzügig hinweggesehen – Hicks’ abgebrochene Highschoolausbildung und die Festnahme wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit. Hicks arbeitete erst seit zwei Monaten im Krankenhaus und war schon zweimal verwarnt worden, einmal wegen Zuspätkommens und einmal, weil er nicht auf sein Walkie-Talkie reagiert hatte (damals hatte er gerade auf
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