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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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dem Gebärstuhl gesessen). Onkel Jim hatte gesagt, wenn er vor Ende des ersten Dienstjahres eine dritte V erwarnung erhielt, würden sie ihn feuern.
    Onkel Jim hatte sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen. V ermutlich, weil er sechs Stunden am Tag im Sicherheitsbüro saß und mit einem Auge die Überwachungsbildschirme und mit dem anderen einen Porno betrachtete. Dreißig Jahre lang Fernsehen für vierzehn Dollar die Stunde und volle Zusatzleistungen. Könnte Hicks sich auch ganz gut vorstellen, aber wenn er den Job als Sicherheitsmann verlor – mit der nächsten V erwarnung –, würde er wohl wieder bei McDonald’s arbeiten müssen. Gar nicht gut. Für die Stelle im Krankenhaus hatte er den begehrten Job am Drive-thru-Fenster aufgeben müssen, und er hatte nicht die geringste Lust, wieder ganz von vorn anzufangen. Schlimmer noch, wahrscheinlich würde er dann auch Sasha mitsamt ihrem Schlüssel zum Arzneimittelraum verlieren. Gebärstuhl ade. Sasha liebte seine Uniform – die McDonald’s-Kluft würde ihr sicher weniger gut gefallen.
    Hicks war im Kellergeschoss angekommen und schlurfte aus dem Fahrstuhl. Als sich die Fahrstuhltür geschlossen hatte, drehte er sich noch einmal um, griff sich in den Schritt und warf der Tür einen feuchten Kuss zu.
    »Lutsch mir die Eier, du Homo-Fettsack«, sagte er. »Darauf stehst du doch, oder?«
    Um dreiundzwanzig Uhr dreißig war im Kellergeschoss nicht mehr viel los. Bis auf eine Neonleuchte alle paar Meter waren die meisten Lampen ausgeschaltet – die neuen Sparmaßnahmen. Nur hin und wieder kam jemand durch einen unterirdischen Tunnel vom Parkplatz auf der anderen Straßenseite herein.
    Dort drüben stand Hicks’ wertvollster Besitz: ein schwarzer Trans Am mit schwarz-weiß gestreiften Polstern und blauen Neonleuchten im Fahrgestell, die ihn aussehen ließen wie ein Ufo aus E.T. , wenn er die Straße entlangfetzte. Auch den würde er aufgeben müssen, wenn er seinen Job verlor. Mit dem Braten von Burgern würde er nie im Leben genug Geld verdienen, die Raten abzahlen zu können. Sasha liebte es, in dem Trans Am mit ihm zu vögeln. Sie mochte Tiere, und die Zebrastreifen auf den Sitzbezügen machten sie ganz wild.
    Hicks dachte, der Serienmörder würde sich in der Leichenhalle befinden, aber wie sich herausstellte, hatte man ihn bereits in den Autopsieraum gebracht. Einer der Ärzte hatte mit der Untersuchung der Leiche begonnen und sie dann auf dem Tisch liegen gelassen, um die Arbeit am nächsten Tag zu beenden. Hicks schaltete nur die Lampen über den Tischen ein und ließ den Rest des Raums dunkel. Dann zog er den V orhang am Türfenster zu. Es gab keinen Riegel, deshalb schob er einen Keil in den Türspalt, damit ihn niemand überraschen konnte.
    Der Arzt hatte Charlie Manx mit einem Laken abgedeckt. An diesem Tag war Manx die einzige Leiche im Autopsieraum, und seine Bahre stand unter einem Schild mit der Aufschrift HIC LOCUS EST UBI MORS GAUDET SUCCURRERE VITAE . Irgendwann würde Hicks den Spruch mal googeln, um herauszufinden, was zum Teufel er bedeutete.
    Er zog das Laken beiseite und nahm die Leiche in Augenschein. Die Brust war aufgesägt und danach mit grobem schwarzem Faden wieder zusammengenäht worden. Der Schnitt hatte die Form eines Y und reichte bis zum Beckenknochen hinunter. Charlie Manx’ Schwanz war so lang und dünn wie ein Hebrew National. Er hatte einen hässlichen Überbiss, sodass sich seine schiefen, braunen Zähne in seine Unterlippe drückten. Seine Augen standen offen, und er schien Hicks mit leerem, aber fasziniertem Blick zu betrachten.
    Das gefiel Hicks nicht. Er hatte schon eine Menge Tote gesehen, aber normalerweise waren ihre Augen geschlossen. Und wenn die Augen offen standen, dann sahen sie meist irgendwie milchig aus, als wäre etwas in ihnen geronnen – vielleicht das Leben selbst. Manx’ Augen wirkten dagegen wach und aufmerksam, so als wäre er gar nicht tot. Eine interessierte Neugier lag darin, wie bei einem Raubvogel. Nein, das gefiel Hicks ganz und gar nicht.
    Eigentlich fürchtete er sich nicht vor Toten. Genauso wenig wie vor der Dunkelheit. Er hatte ein bisschen Angst vor seinem Onkel Jim und davor, dass Sasha ihm einen Finger in den Arsch steckte (sie war der Meinung, dass ihm das gefallen müsste). Außerdem war da dieser wiederkehrende Albtraum, dass er ohne Hose bei der Arbeit erschien und nackt mit herumschlenkerndem Schwanz durch die Korridore marschierte, während die Leute ihn anstarrten. Aber das

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