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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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streckte die Hand aus, sah ihn herangaloppieren, fühlte sich von seiner starken Rechten gepackt und auf den Pferderücken gezogen und legte rasch beide Arme um seine Hüften, um nicht erneut zu stürzen. Sie ritten aus der Senke und hielten neben ihrem Schecken, der in sicherer Entfernung an einem Strauch knabberte, als wäre nichts geschehen. »Das war verdammt knapp!«, stieß Flagler erleichtert hervor. »Tut mir leid! Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen. Bist du okay?«
    »Alles noch dran«, erwiderte sie ebenso erleichtert. Sie rutschte vom Pferderücken und stieg in den Sattel ihres Schecken. Obwohl nichts passiert war, zitterte sie noch ein wenig. »Dieser Old Gabe ist ein gefährlicher Bursche!«
    Der Rest des Roundups verlief ohne Zwischenfälle. Sie zählten die Rinder, drückten den Jungtieren das Brandzeichen der Yellow Rose ins Fell, und Clarissa war vor allem damit beschäftigt, das Essen für die Männer zu kochen und einer Kuh beim Kalben zu helfen. Um die störrischen Longhorns kümmerten sich Ted und Rocky. Auch Rusty war jetzt dabei, er hetzte übermütig durch die Gegend und jagte Hasen und kehrte nur zum Feuer zurück, wenn er Hunger bekam und auf ein paar Fleischbrocken aus dem Bohneneintopf hoffte. Da es keinen Küchenwagen auf der Yellow Rose gab, hatten sie den Pritschenwagen dabei, an dem Ted und Rocky die Kufen inzwischen durch Räder ersetzt hatten, und Clarissa saß auf der Ladefläche und benutzte das Wagenbett als Arbeitsfläche, wenn sie das Essen vorbereitete. Dort konnte sie auch besser verhindern, dass einer der Männer von den Schokokeksen naschte.
    Nach dem Roundup suchte Flagler fünfzig Rinder für den Treck nach Süden aus und ließ Ted und Rocky bei der Herde zurück, während er mit Clarissa zum Ranchhaus zurückritt und die Vorräte für den mehrtägigen Treck zusammenstellte. »Nach dem Bürgerkrieg in Texas war das was anderes«, erinnerte er sich, »damals zogen wir mit tausend Rindern, einer Pferdeherde, zwanzig Cowboys und einem Koch und seinem Küchenwagen von Texas nach Kansas. Das waren über tausend Meilen! Es gab feindliche Indianer, tobende Gewitter und Wirbelstürme, doch nicht mal der Teufel hätte uns aufhalten können, denn wir brauchten jeden Cent und bekamen in Kansas das Zehnfache für unsere Rinder. Das hättest du miterleben müssen, Clarissa!«
    »Das klingt fast so, als würdest du dir diese wilden Zeiten zurückwünschen.« Clarissa blickte ihn von der Seite an und bemerkte, dass er nachdenklich geworden war. »Du sehnst dich nach deiner alten Heimat, stimmt’s?«
    Er überlegte eine Weile und nickte schwach. »Manchmal schon, obwohl es auch dort inzwischen zivilisierter zugeht. Die Comanchen sind im Reservat und genauso friedlich wie die Shuswap, und die Rinder treiben sie inzwischen nur zum nächsten Bahnhof wie hier. Aber als Texaner vergisst du deine Heimat nie, auch nach zwanzig oder dreißig Jahren nicht.« Er ritt eine Weile schweigend neben ihr her und blickte stur geradeaus, als er fragte: »Meinst du, ich sollte mal nach San Antonio fahren und mir das Grab von Carmen ansehen?« Es war das erste Mal nach langer Zeit, dass er Carmen erwähnte.
    »Warum denn nicht?«, erwiderte sie nach einer Weile. »Du findest doch sowieso erst Ruhe, wenn du dort einen Blumenstrauß hingelegt hast.«
    Er nickte wieder. »Gelbe Rosen … Die gelben Rosen von Texas.« Er summte das Lied leise vor sich hin. »Vielleicht nach dem Treiben, dann geht es hier etwas ruhiger zu. Meinst du, ihr kämt ein paar Wochen ohne mich zurecht?«
    »Wenn du versprichst, wiederzukommen?«
    »Keine Angst, eine zweite Carmen gibt es nicht.«
    Auf der Ranch wartete noch einige Arbeit auf sie. Sie ließen genug Futter und Wasser für die Hühner und Rusty zurück, verrammelten die Scheune und stopften die persönliche Habe und die Ersatzkleidung, die sie unterwegs brauchten, in ihre Satteltaschen. Nach Cowboyart schnallte auch Clarissa einige Schlafdecken und einen dunklen Regenmantel hinter ihren Sattel. Lediglich ein Gewehr fehlte, damit sie wie eines der mutigen Cowgirls in den Buffalo-Bill-Heften aussah, und sie kam sich beinahe ein bisschen albern vor.
    Natürlich gingen alle und auch sie selbst davon aus, den Treck nach Süden zu begleiten, aber jetzt, nur wenige Stunden, bevor sie aufbrachen, bekam Clarissa kalte Füße. »Ich weiß nicht«, sagte sie zu dem Rancher, »meinst du wirklich, ich soll mitreiten? Was ist, wenn mich einer von Whittlers Leuten erkennt? Die

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