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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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nahm noch einen Schluck und lächelte versöhnlich. »Wirklich nicht übel, Alex.«
    »Sag ich doch. Bin gespannt, was Sie mit dem Elchbraten anstellen.«
    »Lassen Sie sich überraschen, Sir.«
    Die nächsten Minuten sagte keiner etwas. Er blickte aus dem Fenster und schien den Himmel nach Wolken abzusuchen, und sie hing ihren Gedanken nach und beobachtete ihn verstohlen. Das schwache Sonnenlicht, das in den Raum fiel, spiegelte sich in seinen Augen und ließ seine gebräunte Haut goldbraun schimmern. Seine Lippen formten ein sanftes Lächeln. Er strahlte eine ungewöhnliche Ruhe aus, wie ein Mann, den nichts erschüttern konnte. Ganz anders als ihr Vater, der das Meer über alles geliebt hatte, aber immer nervös geworden war, wenn sich das Wetter änderte und der Seegang stärker wurde. Vielleicht hatte er sich aber auch nur um sie gesorgt.
    »Seit wann leben Sie hier draußen?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Solange ich denken kann. Mein Vater kam mit den Goldsuchern zum Thompson River, vor knapp vierzig Jahren. Reich wurde er nicht, aber es langte für einen Handelsposten in der Nähe von Lytton. Ein paar Jahre war er mit einer Weißen verheiratet, die ihn nach Strich und Faden betrog und nach einiger Zeit mit einem Handelsreisenden durchbrannte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich davon erholt hatte und meine Mutter kennenlernte, eine Halbindianerin aus dem Norden. Demnach bin ich wohl Viertelindianer.«
    »Und es gab nie Ärger mit den … den Weißen?«
    »Manchmal schon, aber mein Vater wusste sich zu wehren, und meine Mutter trug immer ein Messer im Gürtel. Einem Goldsucher, der ihn als Squawman beschimpfte, schlug er fast den Schädel ein. Später wurde es besser. Ich hatte noch nie Ärger mit solchen Leuten. Liegt wohl daran, dass ich die meiste Zeit allein bin. Ich halte mich von den Leuten fern, und wenn ich in der Stadt bin, hänge ich sowieso im Saloon rum und bin nicht ansprechbar. Die meisten Leute wissen gar nicht, dass ich Indianerblut in den Adern habe.«
    »Und warum sind Sie kein Händler geworden wie Ihr Vater?«
    Er trank von seinem Kaffee. »Ich ging schon als kleiner Junge lieber auf die Jagd. Wochentags half ich im Laden, und am Wochenende zog ich mit meinem Vater durch die Wälder. Das machte mehr Spaß als die langweilige Arbeit im Laden. Sobald ich groß genug war, zog ich allein los, und als ich sah, dass die Fallensteller fast das ganze Jahr in der Wildnis zubringen, beschloss ich, es wie sie zu machen.« Er trank seinen Kaffee aus und lehnte sich zufrieden auf seinem Stuhl zurück. »Nicht besonders aufregend, nicht wahr?«
    Sie ging nicht auf seine Frage ein. »Und wo sind Ihre Eltern jetzt?«
    »Irgendwo im Norden«, antwortete er. »Als der große General Store in Lytton aufmachte, mussten sie ihren Handelsposten aufgeben und lebten einige Zeit von ihrem Ersparten. Zwei Jahre später zogen sie in ein Nest nördlich von Williams Lake. Meine Mutter wollte wieder näher bei ihren Leuten wohnen. Sie arbeiten beide für einen Rancher, mein Vater als Buchhalter und meine Mutter als Dienstmädchen. Sie würden wohl lieber so leben wie ich, in der Wildnis und ohne die vielen Leute, aber dafür sind sie leider schon zu alt.« Er seufzte. »Wird Zeit, dass ich die beiden wieder mal besuche. Ich hab sie lange nicht gesehen. Wenn ich meine Felle abliefere, bleibe ich meist in Ashcroft hängen, dort treffe ich mich mit dem Pelzhändler. Noch Kaffee?«
    Clarissa lehnte dankend ab und machte sich wieder an die Arbeit. Sie erhitzte das Wasser in der Blechschüssel und spülte das Geschirr. Während Alex eine weitere Ladung Schnee holte und auf dem Ofen schmelzen ließ, räumte sie den Küchenschrank auf. Auch hier musste sie mit dem feuchten Lappen ran. Wie Alex ihr reumütig beichtete, hatte er den Schrank schon seit vielen Monaten nicht mehr geputzt. Das Gute daran war, dass sie eine Tafel Schokolade fand, keine zwei Monate alt und immer noch genießbar. »Das Mittagessen kann sich schon mal sehen lassen«, sagte sie, als sie sich die Schokolade teilten. »Wollen wir hoffen, dass unser Abendessen genauso gut schmeckt.«
    Sie gab sich große Mühe mit dem Elchbraten, schnitt ihn in kleine Stücke und briet ihn mit einigen wilden Zwiebeln, die Alex in einer Schüssel im Küchenschrank aufbewahrt hatte. Die dicke Köchin, die für die Whittlers arbeitete, hatte die Soße mit flüssiger Sahne und Wein aufgegossen, doch sie besaß weder das eine noch das andere und begnügte sich mit

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