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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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sicheren Tod vor Augen.
    Vor Erschöpfung döste sie ein, öffnete aber entsetzt die Augen, als sie etwas Nasses und Raues an ihrer Wange spürte. Bones war gekommen und ließ seine Zunge über ihr Gesicht gleiten. Der Wolf, den sie vor dem Tod gerettet hatte. Zuerst glaubte sie an einen Traum, oder dass sie bereits vom nahenden Tod gezeichnet war, im Delirium versank und seltsame Trugbilder sah. Doch so oft sie die Augen schloss und wieder öffnete, der Wolf blieb. Bones war tatsächlich bei ihr, und als er sie ansah, lag eine solche Zuneigung in seinen Augen, dass sie neue Zuversicht schöpfte. Sie schaffte es sogar, ihn mit einem Lächeln zu begrüßen. »Bones! Du bist es tatsächlich! Hilf mir, Bones!«
    Bones antwortete ihr nicht, er zeigte mit keinem Muskelzucken, dass er sie verstanden hatte, doch in welcher Lage sie sich befand, war offensichtlich, und er brauchte sie auch gar nicht zu verstehen. Verwundert beobachtete sie, wie er sich einige Schritte von ihr entfernte, wieder zurückkehrte und noch einmal davonlief, so wie damals, als er sie aufgefordert hatte, die Hütte zu verlassen. Zeigte er ihr die Richtung an, in die sie gehen oder kriechen sollte?
    Sie entdeckte einen abgebrochenen Ast neben sich, als hätte ihn Bones gebracht und neben sie gelegt, griff danach und stemmte sich noch einmal vom Boden hoch. Diesmal achtete sie darauf, den verstauchten Fuß nicht zu belasten, und blieb schwanken stehen, wartete geduldig, bis sie einigermaßen ihr Gleichgewicht gefunden hatte, humpelte ein paar Schritte durch den tiefen Schnee und stürzte wieder, blieb liegen und versank in einem dunklen Nebel.
    Wie viel Zeit vergangen war, als sie aus ihrer Benommenheit erwachte, vermochte sie nicht zu sagen, doch Bones war immer noch bei ihr, hatte sich dicht an sie gedrängt und wärmte sie mit seinem dicken Fell. Mit der Wärme flossen neue Energie und Kraft in ihren Körper und sie schien ihr sogar ein wenig von dem Schmerz zu nehmen, der sie noch immer quälte. Sie kraulte seinen Nacken, als wäre er Billy oder Smoky, und empfand seltsamerweise keine Angst, sondern fühlte sich bei dem Wolf sicher und geborgen.
    Kaum schlug sie ihre Augen auf, löste sich Bones von ihr und forderte sie mit leuchtenden Augen auf, ihm zu folgen. Er brachte sie dazu, sich wieder aufzuraffen und auf den Ast zu stützen, sich mit der freien Hand an den Baumstämmen abzustützen und weiterzuhumpeln, immer weiter den Abhang hinab, als wartete dort unten die Rettung. Wo wollte er nur hin? War das ein schlechter Traum? Ein Trugbild, mit dem die bösen Mächte sie in die Irre führen wollten?
    Doch der Wolf, der in den meisten Geschichten, die sie kannte, so verteufelt wurde wie der Hai, hatte nichts Böses im Blick und schien es darauf abgesehen zu haben, ihr zu helfen. Geduldig wies er ihr den Weg. Er lief ein paar Schritte, blieb stehen und drehte sich nach ihr um, lief weiter und wartete wieder, bis sie nachgekommen war. Wie ein zahmer Hund, der seinem Frauchen half.
    Sie biss die Zähne zusammen und arbeitete sich schrittweise nach unten. Nach jedem Schritt musste sie länger warten, bis die dunklen Schatten vor ihren Augen verschwanden und sie wieder klar sehen konnte. Sie klammerte sich an den auffordernden Blicken des Wolfes fest bis sie an einen versteckten Trail kamen, auf dem sogar Schlittenspuren zu sehen waren. Sie blickte verwundert auf die Spuren, hob den Kopf, um etwas zu Bones zu sagen, und stellte überrascht fest, dass er verschwunden war. »Bones!«, rief sie. »Komm zurück!«
    Doch Bones blieb verschwunden, und sie sank seufzend zu Boden, erschöpft von der Anstrengung, die sie auf sich genommen hatte, und benommen von dem dunklen Nebel, der sich vor ihren Augen gebildet hatte. Die Schlittenspuren vor Augen, verlor sie erneut das Bewusstsein. »Zu spät!«, waren die letzten Worte, die sie in Gedanken zu dem Wolf sagte. »Viel zu spät!«
    Sie glaubte sich in einem Traum und dem Tode nahe, als sie die Anfeuerungsrufe eines Mushers hörte und schon wenige Minuten später einen Schlitten neben sich halten sah. »Whoaa! Whoaa!«, rief jemand. Sie öffnete die Augen und beobachtete erstaunt, wie sich einer der Huskys ihr näherte und seine Zunge über ihre Wange gleiten ließ, genauso wie Bones es gemacht hatte. Ein scharfes Kommando seines Besitzers trieb ihn ins Gespann zurück. Sie hörte, wie der Musher den Schlitten verankerte und sich ihr näherte, sah ein indianisches Gesicht über sich auftauchen und wich

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