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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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schmerzlich gewesen. Sie war in dem anderen Jetzt, nicht in diesem.
    Dann hatte er sie wieder gehört. Sehr leise und weit entfernt, aber es war eindeutig sie. Ihr Heulen würde er überall erkennen.
    Keuchend vor Aufregung, flog er mit großen Sätzen durch den Wald. Als das Hell kam, trank er an einem kleinen Flinken Nass, kurz darauf platschte er durch ein größeres. Die Raben würden über Groß Schwanzlos wachen, es würde ihm schon nichts zustoßen. Außerdem blieb Wolf ja nicht lange weg.

    Die Raben flogen von einem Baum zum anderen, plusterten die Schwanzfedern auf und gaben knarrende Tschuk-Tschuk -Warnrufe von sich.
    Wovor wollen sie mich warnen?, fragte sich Torak.
    Bei Tagesanbruch verließ er den Windfluss und ging nach Norden, auf das Lager des Rotwildclans zu. Die Bäume ächzten im böigen Wind. Seine bösen Ahnungen nahmen zu, und er spürte eine Beklemmung in der Brust, die ihm das Atmen schwer machte.
    Andere spürten es auch. Vögel flohen quer über den Himmel  – Eichelhäher, Elstern, Krähen. Rentiere trabten vorüber und machten sich kaum die Mühe, ihm auszuweichen, als wären sie auf der Flucht vor einer größeren Gefahr. Torak dachte an Renn und schritt schneller aus.
    Vor ihm trat eine Gestalt hinter einer Eberesche hervor, die er als die Rotwildfrau mit dem Rindenverband wiedererkannte. Sie zögerte zuerst, überwand dann aber doch ihre Scheu und kam auf ihn zugelaufen. »Endlich!«, rief sie und lächelte ihn dabei furchtsam an. »Wir haben überall nach dir Ausschau gehalten!«
    »Was ist denn passiert?«, fragte er barsch. »Ist etwas mit Renn?«
    »Sie ist bei den anderen und in Sicherheit. Um dich haben wir uns Sorgen gemacht. Du warst plötzlich verschwunden.«
    Gemeinsam gingen sie weiter, Torak immer ein paar Schritte voraus. In der Ferne hörte er Donnergrollen. Die ersten Regentropfen klatschten auf die Blätter. Er zog sich die Kapuze über den Kopf. Plötzlich packte ihn etwas am Knöchel und riss ihn in die Luft.
    Die Erde schaukelte Übelkeit erregend unter ihm hin und her. Als der Schwindel nachließ, erkannte er, dass er kopfüber an einer jungen Eberesche hing, die noch vor wenigen Augenblicken leicht gekrümmt am Rand des Pfades gestanden hatte.
    Du Dummkopf, schalt er sich. Eine einfache Trittfalle und du tappst mitten hinein!
    Das Messer steckte nicht mehr in der Scheide. Es lag unerreichbar für ihn in einem Büschel Gänsefuß. Wütend forderte er die Frau auf, sich zu beeilen und ihn endlich loszuschneiden.
    Sie kam den Pfad heraufgerannt. »Du bist in eine Falle gelaufen«, sagte sie.
    »Sieht ganz danach aus!«, blaffte er. »Schneid mich ab!«
    Sie ließ die Arme tatenlos am Körper herabhängen.
    War sie völlig von Sinnen? Zornig knurrend versuchte Torak, mit den Fingern an das Seil zu kommen, das sich um sein linkes Fußgelenk festgezogen hatte. Knurrend sank er wieder zurück. » Schneid mich los! «
    »Nein«, sagte die Frau.
    » Was? « Das Seil knarrte. Regen rieselte auf die Blätter.
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass es gar kein Regen war. Es war Asche. Ascheflocken, die wie schmutziger Schnee durch die Luft wirbelten. Und das rötliche Leuchten am Himmel kam auch nicht aus der Richtung, in der es bald dämmern musste. Es kam nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen. »Feuer«, sagte er. »Irgendwo im Wald brennt es.«
    »Stimmt«, sagte die Frau mit veränderter Stimme.
    Kopfüber hängend sah Torak, wie sie den Rindenverband vom Kopf zog und ihr langes aschgraues Haar ausschüttelte.
    »Das Feuer ist entkommen«, sagte sie, »und frisst sich jetzt durch den Wald. Die Auserwählte hat es freigelassen.«

Kapitel 20

    Während Torak hilflos an dem Baum hing wie ein Fisch am Haken, verdunkelte sich der Himmel zu einem zornigen Orangerot, das nichts mit der Sonne zu tun hatte. »Du kannst mich doch hier nicht verbrennen lassen!«, schrie er.
    »Du bist ein Ungläubiger«, sagte die Frau. »Du gehörst dem Feuer.«
    »Warum denn? Was habe ich getan?« Torak krümmte sich, versuchte, sich irgendwie zum nächsten Ast hinaufzuziehen, erwischte ihn tatsächlich, aber das zu dünne Ästlein knickte sofort ab. Torak schaukelte zurück und zerrte sich einen Muskel im Bein. »Was habe ich denn getan? «
    Die Frau ging in die Hocke und musterte ihn aufmerksam. Ihr Gesicht war von Brandblasen überzogen und in den wimpernlosen Augen sah er die Verschlagenheit hinter ihrem Wahnsinn. »Die Auserwählte beobachtet ihn«, zischte sie. »Sie sieht, wie er das Feuer

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