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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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mit Steinen weckt, sie sieht, wie er es entehrt. Sie weiß Bescheid.«
    »Was willst du überhaupt?«
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen. In ihren Mundwinkeln klebte verkrustete Asche. »Dem Gebieter dienen und durch ihn noch einmal dem Feuer nahe sein. Das Rot, das so rein ist, dass alles andere dagegen grau erscheint…«
    »Aber der Gebieter will über den Wald herrschen «, keuchte Torak. »Wie kann er da wollen, dass du ihn vernichtest?«
    Sie lächelte. »Der Gebieter befiehlt, den Ungläubigen zu beobachten, aber die Auserwählte tut noch viel mehr. Sie übergibt ihn dem Feuer.«
    »Warte«, sagte er, aus Angst, sie könnte einfach davongehen. »Hat der… hat der Gebieter dich zur Auserwählten gemacht?«
    Ihre Züge hellten sich auf wie glühende Asche. »Es war das Feuer«, flüsterte sie. »An einem klaren blauen Tag suchte sie der Blitz aus dem Himmel. Kein Donner, keine Vorwarnung. Nur eine grelle Flamme, heller als die Sonne – und sie mittendrin.« Sie beugte sich näher zu ihm und er roch ihren beißenden Atem. »In diesem Augenblick sieht sie alles. Die Knochen in ihrer Haut, die Adern in den Blättern, das Feuer, das in jedem Baum schläft. Sie sieht die Wahrheit. Alles brennt. «
    Das Brüllen des Feuers wurde lauter. Rauch drang durch die Bäume. »Aber du hast es überlebt«, sagte er. »Der Blitz hat dich am Leben gelassen. Deshalb solltest du mich auch am Leben lassen. Schneid mich los!«
    Aber sie hörte überhaupt nicht zu, sondern war völlig in ihrer Geschichte gefangen. »Das Feuer hat sie an sich gerissen. Hat ihre Haare in Asche verwandelt. Hat das Kind aus ihrem Leib gebrannt. Hat sie verwandelt …« Ihre heißen Finger strichen über seine Wange und ihr Lächeln war zärtlich und erbarmungslos. »Es wird auch dich verwandeln.«
    Er musste an Thiazzis verkohlte Opfergaben auf dem Baum denken. »Du kannst mich hier doch nicht verbrennen lassen«, flehte er.
    »Hörst du, wie es wächst?« Mit erhobenen Armen hieß sie das Feuer willkommen. »Je mehr es frisst, desto größer wird sein Hunger! Du solltest dich geehrt fühlen. Das Feuer wird auch dich an sich reißen.« Dann war sie verschwunden.
    »Lass mich nicht allein!«, schrie Torak. »Lass mich nicht allein«, bettelte er.
    Ein Stück lodernde Borke fiel unter seinem Kopf auf den Boden und rings um ihn herum schlugen die Bäume im sengenden Atem des Feuers wild um sich. Der Himmel hatte sich in blutigen Bernstein verwandelt. Er sah das Feuer aus dem Westen auf sich zukommen. Fin-Kedinns Worte fielen ihm ein: Es springt schneller in einen Baum als ein Luchs, und sobald es die Zweige erreicht, kann es niemand mehr aufhalten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schnell sich Feuer ausbreitet.

    Das Helle Tier kam brüllend durch den Wald gerast, schneller als Wolf es für möglich gehalten hätte. Es fraß alles auf: Bäume, Jäger, Beute. Wo war Groß Schwanzlos?
    Wolf hätte ihn nicht allein lassen sollen. Er hatte Dunkelfell nicht gefunden und jetzt konnte er auch seinen Rudelgefährten nicht mehr finden.
    Verzweifelt rannte Wolf mit großen Sätzen in den bitteren Atem des Hellen Tieres. Voller Panik donnerte Beute an ihm vorüber, floh in die andere Richtung. Immer wieder musste er ihren trampelnden Hufen ausweichen. Er platschte durch das kleine Flinke Nass. Er schlitterte in eine tiefe Rinne – und das Helle Tier bäumte sich über ihm auf, groß wie ein Berg. Sein Pelz kräuselte sich, seine Augen brannten. Er konnte nicht weiter, konnte seinen Rudelgefährten nicht aus dem feurigen Rachen herausholen. Das Helle Tier verschlang alles, und wenn es ihn erwischte, würde es auch ihn verschlingen.
    Wolf drehte um, raste die Böschung der Rinne hinauf, und das Helle Tier raste hinter ihm her. Es schlug mit einer funkelnden Klaue nach ihm. Wolf machte einen Satz, um ihr zu entgehen. Die Klaue prallte gegen einen Baum und fraß ihn. Ein weiterer Schössling ächzte auf, Wolf flitzte an ihm vorbei, ehe er zu Boden krachte, und die Jungen des Hellen Tiers flogen durch die Luft und fraßen noch mehr Bäume auf.
    Heiße Steine bissen in Wolfs Ballen, er rannte so schnell, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war, aber das Helle Tier blieb ihm dicht auf den Fersen. Es flog, es sprang von Baum zu Baum, es schnellte über das Nass. Es fraß den ganzen Wald auf. Nichts konnte ihm entrinnen.

    Vor Wut und Anstrengung knurrend, zog sich Torak nach oben und versuchte noch einmal, die Esche zu erreichen. Seine

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