Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
Hinterbeinen hoch – vielleicht würde sie ihre ärgerliche Last ja auf diese Weise los –, aber Torak warf sich nach vorne und drückte die Oberschenkel noch fester zusammen.
Dann galoppierte die Stute so jäh davon, dass es ihm beinahe die Arme aus den Gelenken gerissen hätte. Er rutschte auf ihrem breiten glatten Rücken hin und her und schaffte es nur mit Mühe, nicht herunterzufallen.
Jetzt hielt sie auf einen tief hängenden Ast zu. Er duckte sich gerade noch weg. Zweige schrammten über seinen Rücken. Er hielt den Kopf unten, falls sie es noch einmal versuchen würde.
Sie brachen durch dichtes Unterholz, und die Herde, von der wilden Panik ihrer Leitstute angesteckt, kam hinter ihnen hergerast. Zwischen den Baumstämmen sah Torak den Fluss aufblitzen. Die Stute preschte stromaufwärts, auf das Tal zu, in dem sie sich sicher fühlte.
Ihr Fell fühlte sich rau an seiner Wange an, er roch ihren pferdigen Schweiß, hörte den Atem in ihrer Brust rasseln. Ein bisschen unwohl war ihm schon dabei, denn sie war seine Freundin und er hatte ihr Angst eingejagt. Aber es ging nicht anders. Er musste Renn retten, alles andere zählte nicht.
Ohne Vorwarnung bäumte sich die Stute auf, ihr Widerrist knallte gegen seinen Wangenknochen und im nächsten Augenblick flogen sie beide über einen quer liegenden Baumstamm. Als die Stute auf dem Waldboden aufsetzte, prallte er wieder mit der Wange gegen sie.
Mit vor den Augen tanzenden Sternchen richtete er sich auf und schon rasten sie in den Schein von Lagerfeuern, mitten hinein ins Lager der Clans aus dem Großen Wald. Kübel und Kochleder wurden zertrampelt, als sie zwischen den rot bemalten Bäumen hindurchgaloppierten, während rings umher Menschen das Weite suchten, Kinder aus dem Weg rissen und Torak entsetzt anstarrten.
»Euer Schamane ist ein verkleideter Seelenesser!«, rief er über die Schulter. »Kommt zum Heiligen Hain und seht selbst!« Schon lag das Lager hinter ihnen, schon ging es in rasendem Tempo zum Hügelkamm hinauf.
Erst jetzt fiel Torak auf, dass niemand auf ihn geschossen hatte. Weder Pfeile noch vergiftete Speere. Sie hatten es nicht gewagt, die heilige Herde in Gefahr zu bringen. Sein Medizinbeutel schlug ihm gegen den Oberschenkel, und ohne zu wissen warum, dankte er dem Geist seiner Mutter dafür, dass er ihn beschützt hatte.
Wieder kam ihnen ein umgestürzter Baum entgegen, wieder warf er sich an den Hals der Stute, bevor sie zum Sprung ansetzte. Matsch sprenkelte sein Gesicht, als sie in einem Schlammpfuhl landete, in dem sie bis zu den Fesselgelenken versank. Sie strampelte sich frei, und er verlagerte sein Gewicht nach vorne, um ihr behilflich zu sein. Nach einem gewaltigen Ruck ihres Hinterteils waren sie aus dem Schlamm heraus und scheuchten mehrere erzürnt kollernde Auerhühner aus dem Unterholz.
Der Mond ging unter, und die Nachtschatten sickerten bereits aus dem Wald heraus, als sie in Richtung Windfluss davonflogen. Torak bemerkte, dass sie sich ein Stück östlich des Pfades befanden, den er zuvor genommen hatte; dieser Weg war steiler, überwachsener. Die schlaue Stute kannte eine Abkürzung zu ihrem Tal.
Zweige rissen an seinen Haaren, Schwarzdornblüten stoben auf wie Schnee. Plötzlich bremste die Stute ab, trabte noch ein Stück und blieb dann stehen. Sie buckelte unvermittelt und hätte ihn damit beinahe über den Hals abgeworfen. Hinter ihr rannten die Pferde ineinander, schüttelten sich kurz und fingen dann an zu grasen.
»Nein!«, keuchte Torak, strampelte mit den Beinen und klatschte ihr mit der flachen Hand auf den Hals. »Nicht stehen bleiben, wir sind noch nicht da!« Es hatte keinen Sinn. Die Stute spürte ihn kaum. Als er weiter auf sie einschlug, stampfte sie mit den Vorderhufen und zuckte mit dem Schweif, wobei sie ihn empfindlich an der Wange erwischte. Sie befand sich jetzt auf ihrem eigenen Territorium und ließ sich nicht mehr einschüchtern.
Zumindest nicht von Torak.
Da ertönte von oben ein vertrautes Kraah! und schon kamen Rip und Rek herabgesaust. Ihre Krallen streiften den Leib der Stute beinahe, dann waren die beiden Raben schon wieder nach oben abgedreht.
Erschrocken riss sie den Kopf hoch und hinter ihr schnaubte die Herde alarmiert.
Die beiden Raben stießen erneut herab. Die Stute wich seitlich aus, das Weiße in ihren Augen war jetzt deutlich sichtbar. Aber es lag nicht nur an den Raben, wie Torak jetzt erkannte. Sie witterte einen Duft, den sie fürchtete.
Wieder fiel sie in leichten
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