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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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hörten sich an wie aus weiter Ferne. War das eben das Jaulen eines Wolfes gewesen? Ein Rabenkrächzen? Trotz ihres rasselnden Atems vernahm sie Thiazzis höhnische Stimme, aber nichts mehr von Torak.
    Sie raspelte weiter an dem Strick.

    Die Raben kreisten und krächzten. Einen Augenblick schaute Thiazzi nach oben. Torak ergriff die Chance, schnappte sich einen Ast aus dem Feuer und schlug nach ihm.
    Der Eichenschamane wich dem Schlag mit Leichtigkeit aus, und Torak sah, dass sein Zweig nicht brannte. Es war nur ein toter grauer Stummel.
    »Gegen mich kannst du kein Feuer einsetzen«, höhnte Thiazzi. »Ich bin der Herr des Waldes und des Feuers!«
    Wie zur Bekräftigung fuhr ein Wind zwischen die Bäume und trieb Torak den Rauch in die Augen.
    Wieder stieß Rip herab. Thiazzis Peitsche traf ihn am Flügel, und obwohl sich der Rabe in Sicherheit bringen konnte, segelte eine schwarze Feder in die Glut.
    Der Rauch brachte Torak zum Husten. Auch als er sich verzogen hatte, ging das Husten weiter.
    Thiazzi sah, wie mühsam er sich auf den Beinen hielt. Seine Augen glitzerten vor Boshaftigkeit. »Das Feuer kann mir nichts anhaben, aber es braucht nicht mehr als ein bisschen Rauch, um dein Mädchen zu töten.«
    Torak sah sich erschrocken um. Woher kam dieses Husten? Aber der Wind blies noch stärker, sodass er es nicht orten konnte.
    Thiazzi warf einen kurzen Blick hinüber zur Großen Eiche.
    Natürlich. Die Leiter. Die Eiche musste hohl sein. Renn steckte dort in der Eiche.
    Torak schob sich weiter um das Feuer, näher an den Baum heran – und rannte dann auf die Leiter zu.
    Zu seiner Verwunderung schaute ihm der Eichenschamane einfach nur dabei zu. Als Torak die Leiter halb erstiegen hatte, rief er: »Du bist nicht so klug, wie ich dachte, Seelenwanderer. Jetzt habe ich dich wie ein Eichhörnchen in den Baum gejagt, während dein Mädchen erbärmlich erstickt.«
    Torak packte die Leiter. Thiazzi hatte ihn hereingelegt. Das Husten war hier nicht lauter, es war leiser. Und es kam nicht aus der Eiche, sondern aus der Eibe.
    Zitternd wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Du solltest nicht zu lange warten«, keuchte er mit einem verzweifelt trotzigen Ausdruck. »Die Clans sind schon unterwegs … Und du hast deine Maske nicht auf. Endlich sehen sie, wer du wirklich bist.«
    »Dann mache ich es kurz«, sagte Thiazzi, ging zum Fuß der Leiter und fing an hinaufzuklettern.

Kapitel 37

    Die Handfesseln zerrissen. Renn zog den Knebel über ihr Kinn, schlucke eine Lunge voll Rauch und hustete, bis sie würgen musste. Voller Panik sägte sie den Strick an den Füßen durch und hüpfte zu dem Spalt.
    Vor lauter Rauch war nichts mehr zu sehen, auch hörte sie weder Wolf noch die Raben – noch Torak! Nicht daran denken. Du musst hier raus, du musst hier raus!
    Sie tastete um sich, suchte nach Kerben oder Vorsprüngen zum Festhalten, irgendetwas, das ihr half, nach oben zu klettern. Ihre Finger fanden etwas, das ein Stück über ihrem Kopf aus der Rinde hervorstand. Es fühlte sich an wie ein Pflock im Holz. Das konnte nicht sein. Aber so war es. Sie zog sich hoch und ihr gesunder Fuß suchte nach einem Halt. Sie fand eine Einkerbung, kaum tief genug für ihre Zehen. Ihre freie Hand krallte sich um Holz. Noch ein Stift. Jemand hatte sie eingeschlagen, jemand, der größer war als sie, denn sie musste sich sehr strecken, um sie zu erreichen; aber die Eibe schien ihr zu helfen, führte sie von Pflock zu Pflock. Vielleicht wollte sie auch nur, dass sie endlich von hier verschwand.
    Weiter oben wurde es schwieriger, denn dort gab es keine Pflöcke mehr, und die Kante war faulig. Sie ergriff einen Ast, zog sich hoch und hing über dem Rand des Stammes. Sie hatte sich die Finger aufgerissen und ein abgebrochener Ast bohrte sich in ihren Bauch, aber sie war wenigstens aus dem Rauch heraus und sog gierig die kühle grüne Brise des Waldes in sich hinein.
    Als sie sich umsah, merkte sie, dass sie sich schwindelerregend weit oben befand. Unter ihr gab es weder Ast noch Zweig, zum Springen war es ebenfalls zu hoch. Sie schob einige Zweige zur Seite, wobei sie vermied, ihr Knie anzuschlagen. Die Zweige schnellten ihr ins Gesicht zurück, als wollten sie sagen: Wir haben dir einmal geholfen, fordere dein Glück nicht zu sehr heraus. Dann erblickte sie Torak.
    Er befand sich fast auf gleicher Höhe mit ihr, war die Leiter hinaufgeklettert und auf einen der ausgestreckten Arme der Eiche ausgewichen. Er sah sie nicht, denn er war

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