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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Zeit folgte Torak dem Flug des Tieres mit den Augen, bevor er sich entschlossen aufmachte und zügig weiterlief. Er war kaum aus dem Gebüsch ins Freie getrabt, da streckte ihn Aki mit einem gewaltigen Kopfstoß zu Boden.
    Der Eberjunge war kaum wiederzuerkennen. In dem schwarzen, mit klebrigem Teer übergossenen Schädel funkelten zwei rote Augen. Er stank nach Kiefernblut und unbändigem Zorn. »Du hast mich zum Gespött gemacht!«, brüllte er hasserfüllt. »Du hast mich vor allen zum Gespött gemacht.«
    Torak rappelte sich auf und wich stolpernd zurück. »Das war keine Absicht! Ich wusste nicht, dass du schon so weit oben auf der Leiter warst!«
    »Lügner!« Aki hieb mit der Axt nach Toraks Schienbein.
    Torak brachte sich mit einem Satz in Sicherheit, sprang zur Seite und trat Aki die Axt aus der Hand. Dieser zückte das Messer, Torak tat es ihm nach und die beiden umkreisten einander feindselig.
    Toraks Herz hämmerte gegen seine Rippen. Er versuchte, sich an alle Kampftricks zu erinnern, die Fa und Fin-Kedinn ihm beigebracht hatten.
    Unvermittelt schnellte Aki vor, verpasste Torak jedoch um Haaresbreite. Torak versetzte dem Eberjungen einen Tritt in die Magengrube, gefolgt von einem wuchtigen Schlag gegen die Kehle. Würgend ging Aki zu Boden und griff im Sturz nach Toraks Wams. Der Halsausschnitt riss auf – und Aki sah es. Das Zeichen auf Toraks Brust.
    Die Zeit schien stillzustehen.
    Aki ließ ihn los und taumelte zurück.
    Torak stand wie angewurzelt da.
    Aki blickte von dem Zeichen in Toraks Gesicht. Unter dem Kiefernteer war er kalkweiß vor Entsetzen.
    Aber er erholte sich schnell von dem Schock. Er deutete mit einem Finger auf Toraks Stirn, direkt zwischen die Augen, und machte eine rasche seitliche Schnittbewegung mit der Hand, eine Geste, die Torak noch nie zuvor gesehen hatte.
    Dann drehte er sich um und stürzte davon.

    Aki musste in Windeseile zu seinem Einbaum gerannt sein und sich darin schneller fortbewegt haben als ein Lachs auf der Wanderung, denn als Torak am Nachmittag das Rabenlager erreichte, war der Eberjunge bereits da. Torak erkannte es sofort an dem drückenden Schweigen, das im Lager herrschte, als er auf die Lichtung lief.
    Außer dem Knarren der Trockengestelle und dem Murmeln des Flusses war es totenstill. Thull und seine Gefährtin Luta, mit denen Torak sich die Hütte teilte, sahen ihn an wie einen Fremden. Nur Davi, der sieben Sommer alte Sohn der beiden und Toraks erklärter Bewunderer, wollte ihm zur Begrüßung entgegenlaufen, doch sein Vater packte ihn und riss ihn hastig zurück.
    Renn kam mit wehenden dunkelroten Haaren aus einem der Zelte aus Rentierhaut gestürzt, das Gesicht rot vor Empörung. »Da bist du ja endlich, Torak! Das muss ein Missverständnis sein! Ich habe ihnen gesagt, dass es nicht wahr ist!«
    Hinter ihr tauchte Aki in Begleitung seines Vaters, des Anführers des Eberclans, und Fin-Kedinns, auf. Der Anführer des Rabenclans hatte eine grimmige Miene aufgesetzt und stützte sich schwer auf seinen Stock, während er die Lichtung überquerte. Als er schließlich die Stimme erhob, klang sie so ruhig und gelassen wie immer. »Ich habe für dich gesprochen, Torak. Ich habe ihnen gesagt, dass es ausgeschlossen ist.«
    Sie hatten so viel Vertrauen zu ihm. Er konnte es nicht ertragen.
    Der Anführer des Eberclans funkelte Fin-Kedinn wütend an. »Nennst du meinen Sohn einen Lügner?« Abgesehen davon, dass er erwachsen war, glich er seinem Sohn aufs Haar: dasselbe kantige Gesicht, dieselben kampfbereiten Fäuste.
    »Er ist kein Lügner«, erwiderte Fin-Kedinn. »Er hat sich nur getäuscht.«
    Der Eberclanhüter warf erzürnt den Kopf zurück.
    »Ich habe es dir gesagt«, fuhr Fin-Kedinn fort. »Der Junge ist kein Seelenesser. Das kann er beweisen. Torak, zieh dein Wams aus.«
    »Was?« Renn musterte ihren Onkel entgeistert. »Wie kannst du auch nur daran denken  … «
    Fin-Kedinn brachte sie mit einem Blick zum Schweigen und wiederholte: »Rasch, Torak. Wir müssen die Angelegenheit ein für alle Mal klären.«
    Toraks Blick schweifte über die Gesichter der Umstehenden. Nach dem Tod seines Vaters hatten ihn diese Menschen aufgenommen. Seit beinahe zwei Sommern lebte er bei ihnen. Sie hatten allmählich begonnen, ihn als einen der ihren anzusehen. Damit hatte es nun ein Ende.
    Langsam streifte er Köcher und Bogen ab und legte beides auf den Boden. Er nestelte den Gürtel auf. In seinen Ohren schrillte es. Seine Finger schienen einem anderen zu

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