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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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fühlte ihre Berührung sich sehr wohltuend an. Er bemühte sich, seine Gedanken beisammen zu halten.
    »Du … hast Aki das Hirschgeweih gestohlen«, sagte er. »Du hast den Trank vergiftet, als ich das Ritual ausführte. Du hast meine Seele in den Elch gesandt.«
    Sie lächelte ihr wunderschönes, irre machendes Lächeln. »So stark. Und dann auch noch die Seelenkrankheit bekämpft!«
    Seine Gedanken verdunkelten sich, ihre Finger reichten bis in seinen Verstand. »W-wie bist du-du«, stammelte er, »a-aus dem Hohen Norden entkommen? Wo ist der Eichenschamane … und die Eulenschamanin?«
    Sie lachte. »Ach, wir sind einander so ähnlich, du und ich! Beide sind wir Ausgestoßene, beide unvorstellbar stark. Deshalb jagen uns die Clans. Die Schwachen fürchten immer die Starken.«
    Rip und Rek flogen davon. Torak nahm es kaum wahr.
    »Nein«, sagte er mit großer Anstrengung. »Wir sind uns nicht ähnlich. Du hast Menschen getötet. Du hast die Clangesetze gebrochen.«
    »Aber mehr sind sie doch nicht«, erwiderte sie. »Nicht mehr als die Gesetze der Clans. Nur die Seelenesser kennen das Gesetz des Weltgeistes. Deshalb hat er mir den Seelenwanderer ausgeliefert.« Sie machte eine Pause. »Warum aber habe ich dich nicht von Anfang an als den erkannt, der du bist? Wie konntest du dich meinem Blick so lange entziehen? Die Antwort muss irgendwo verborgen sein.« Mit einer geschmeidigen Bewegung griff sie nach seiner Ausrüstung.
    Der Zauber ihrer Berührung war mit einem Mal gebrochen. Torak sah missmutig zu, wie sie seine Sachen befingerte.
    »Das Messer deines Vaters«, sagte sie voller Abscheu. »Das Messer eines Verräters. Schiefer, Horn, Sehnen. Nichts Besonderes. Dann die Axt. Aber das ist nicht deine, glaube ich.« Sie nahm seine Hand und hielt sie neben die Axtklinge. Wie schlau sie war! Wäre die Axt für ihn gemacht worden, hätte die Klinge genau von der Wurzel seines Daumenballens bis zur Spitze seines Mittelfingers gereicht. Sie war jedoch etwas länger.
    »Auf dem Griff ist das Zeichen der Raben eingekerbt«, überlegte sie, »aber der Kopf ist aus Grünstein … Es heißt, Fin-Kedinn habe eine Weile bei den Froschessern gelebt.«
    Sie las die Wahrheit aus seinem Gesicht. »Es ist also tatsächlich seine Axt! Du hast Fin-Kedinns Axt gestohlen! Du hast die Clangesetze gebrochen!«
    Als Nächstes nahm sie seinen Medizinbeutel in die Hand und zog daraus sein Medizinhorn hervor. Ihre Lippen wurden ganz schmal. »Von deiner Mutter.« Sie legte es beiseite. »Nichts. Die Antwort liegt woanders.«
    Mit einem Schauder der Erleichterung fiel Torak ein, dass Renns Haarsträhne sich in dem Beutel befand. Seshru hatte sie nicht gefunden. Sie war also nicht allmächtig. Auch sie beging Fehler.
    Seshru spürte die Veränderung in ihm und ihre Züge wurden kälter als vom Wind geformtes Eis. »Glaub ja nicht, du könntest etwas vor mir verbergen.«
    Schnell wie eine zubeißende Schlange war ihr Gesicht dicht an seinem. »Du kannst dich mir nicht widersetzen! Nicht, solange ich das hier habe!« Zwischen ihren Fingern hielt sie etwas Kleines, das in den Windungen einer grünen tönernen Schlange gefangen war.
    Toraks Magen drehte sich um. Der Kiesel, den er für Renn gemacht hatte.
    »Hast du eine Vorstellung von der Macht, die er mir verleiht ?«, zischte sie. »Damit habe ich deine Seelen vernichtet! Du hast keinen eigenen Willen mehr. Du gehörst mir!«
    Ihre Faust schloss sich um den Kieselstein – und Toraks Herz zog sich zusammen.
    Sie öffnete die Faust – und er konnte wieder atmen.
    Als sie lachte, roch er in ihrem Atem den fauligen Geruch der Wurzel, die ihren Mund schwarz färbte. Wie hatte er sie nur je für schön halten können? Ihr Geist war ausgehöhlt, und dort, wo einmal ihr Herz gesessen hatte, war nur noch ein Schatten, wie der dunkle Fleck an der Stelle, an der ein Kadaver gelegen hatte.
    Jetzt warf sie den Deckel des Korbes beiseite und eine Natter glitt über den Rand. Geräuschlos floss sie in Seshrus Schoß. Ihre Zickzackmuster zogen sich deutlich über die gesamte Körperlänge hin und ihr lidloses rotes Auge war auf ihre Gebieterin fixiert.
    Seshru nahm sie in die Hand und sie wickelte sich um ihren Arm. Die beiden schwarzen Zungen zuckten hervor und suchten einander. »Verhalte dich ganz ruhig«, wies sie Torak an. »Ihr Biss ist schlimmer als jeder andere, der dir im Wald zugefügt werden kann. Ihr Biss kann töten …«
    Eine zweite Natter, schwarz wie eine mondlose Nacht, ergoss sich

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