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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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aufzusetzen, aber obwohl er seine Glieder wieder bewegen konnte, war er immer noch so schwach wie ein eben flügge gewordener Vogel.
    Seshru schob ihm das schweißdurchtränkte Haar aus der Stirn. » Das ist der Wille des Weltgeistes! Deshalb hat er mir ein solches Geschenk gemacht! Mit dem Seelenwanderer und dem Feueropal werde ich alles beherrschen! Alle Lebewesen und alle Dämonen werden mich fürchten und mir gehorchen!«
    Übelkeit umfing ihn. Schwerfällig stützte er sich auf einen Ellbogen und erbrach sich.
    Mit ihrer eiskalten Hand drückte ihn die Natternschamanin an ihre Brust. »Große Macht wird aus Leid geboren, ich weiß es. Aber jetzt hast du es verstanden. Du gehörst zu mir.«
    Erschöpft sank er an sie.
    »Sag es«, flüsterte sie und ihr Atem strich heiß und stinkend über seine Haut. »Sag, dass du zu mir gehörst!«
    Er hob den Blick. Sie war sehr schön. Sogar ihr schwarzes Lächeln war schön.
    »Ich gehöre zu dir«, sagte er.

Kapitel 30

    Renn quälte ihr Schlangentraum.
    »Was hat er zu bedeuten?«, fragte Bale, als sie ihr wiederhergestelltes Boot beluden.
    »Ich weiß es nicht genau. Aber er war in Farbe, also muss er wahr sein. Ich glaube …«
    »Ja?«
    »Ich glaube, er bedeutet, dass sie ihn jetzt hat.«
    Bale erstarrte mit dem Paddel in der Hand. »Du hast gesagt, deine Schamanenkunst hätte gewirkt.«
    »Ich sagte, ich glaube , dass sie gewirkt hat. Man kann sich nie ganz sicher sein.«
    Er dachte darüber nach. »Also gut. Ich habe mehr Vertrauen in dich. Und in Torak.«
    Renn gab keine Antwort. Sie hatte ihm noch nichts von der echten Natter erzählt, die sie gesehen hatte, als sie aus dem Schlaf geschreckt war. Was wäre wohl geschehen, wenn diese Raben sie nicht verscheucht hätten?
    Oh, Seshru war gerissen! Sie hatte Torak von den Clans getrennt, von seinen Freunden, sogar von Wolf – und jetzt hatte sie ihn ganz für sich, auf diesem See, den sie für sich beanspruchte. Irgendwo da draußen saß sie und lachte sie alle aus.
    Schon bei Tagesanbruch war es sehr warm und mit dem Wind im Rücken kamen sie gut voran. Wie sich herausstellte, befand sich ihre kleine Insel viel westlicher, als sie gedacht hatten, und schon am frühen Nachmittag kam die Insel des Verborgenen Volkes in Sicht.
    Als sie sich dem flachen Ufergewässer näherten, brachte Renn eine Opfergabe dar und bat um Erlaubnis, an Land zu gehen. Dann zogen sie ihr Boot auf den schwarzen Strand, hinter dem sich ein wachsamer Wald erhob. Von den Bäumen stiegen Dunstnebel auf, denn es hatte erst vor Kurzem geregnet. Ein Geruch von Verwesung wehte von einem Streifen rötlicher Kiefernnadeln herüber und erinnerte Renn an eine Schlange.
    »Nichts zu sehen von Torak«, sagte Bale, als er nach einer kurzen Suche den Strand entlang zurückkehrte. »Dafür habe ich andere Spuren gefunden.«
    Als Renn sie erblickte, schlug ihr Herz schneller. »Ein Wolf.« Sie blies in ihre Hühnerknochenpfeife, erhielt jedoch keine Antwort. Ihre Unruhe nahm zu.
    Sobald sie den Wald betreten hatten, ließ der Wind nach, und die Hitze senkte sich auf ihre Haut. Ganze Wolken kleiner Stechmücken summten ihnen um die Ohren. Die Grillen zirpten laut, aber es war kein Vogelgezwitscher zu hören, bis auf das kurze Trillern eines Rotschwänzchens.
    Sie folgten einem Bach flussaufwärts, wateten durch federndes Preiselbeergestrüpp. Sie kamen an mannshohen Waldameisenhaufen und an geduckten, von dampfendem Moos überzogenen Felsbrocken vorbei. Wenn sie sich umdrehte, sah Renn ab und zu den See zwischen den Bäumen aufblitzen, dann schlossen sich die Kiefern immer dichter um sie und versperrten ihr die Sicht. Die Gegenwart des Verborgenen Volkes war deutlich zu spüren. Ihr entging nicht, dass Bale sein Amulett aus Robbenknochen berührte.
    Schließlich erreichten sie eine Lichtung, wo der Bach von Ästen aufgestaut war. Braune Teiche erstreckten sich zwischen zernagten Baumstümpfen, Holzspäne übersäten den Boden. Der Geruch frischen Baumblutes hing in der Luft.
    »Biber«, sagten sie beide gleichzeitig.
    Bale lächelte schief und Renns Beklommenheit ließ ein wenig nach. Wenn das Verborgene Volk auf seiner Insel Biber duldete, dann hatte Torak vielleicht…
    Wieder dieses Rotschwänzchen.
    Renn erstarrte. »Torak?«, rief sie leise. »Bist du das?«
    Bale hob die Augenbrauen, und sie erklärte ihm, dass es das Signal war, das sie manchmal benutzten.
    Sie rief noch einmal. Der Wald schien den Atem anzuhalten. Ihr Herz raste.
    »Vielleicht liegt

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