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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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zum Festland fliegende Schellente. Damit hatten sie genug Fleisch, was auch bitter nötig war, und aus der Entenhaut fertigte sie einen neuen Zunderbeutel. Die Federn verwendete sie für die Pfeile. Mit einem Klümpchen Fett ölte sie den Bogen ein, obwohl sie sich dabei ein wenig schuldig fühlte, da Bale jedes bisschen brauchte, um das Boot wasserdicht zu machen.
    Dafür erhitzten sie eine Paste aus Kiefernharz, Holzkohle und Entenfett in einem Eimer aus Birkenrinde und schmierten sie mit in Borke eingeschlagenen Stöcken auf die Bootshülle. Renn mochte den Duft der Kiefern, aber Bale rümpfte die Nase. »Wenn wir doch nur Robbenfett hätten«, murmelte er.
    »Jetzt können wir aufbrechen«, sagte sie, als sie fertig waren. Sie hatte seit dem Sturm nicht mehr von Torak geträumt, dachte aber unablässig an ihn.
    »Morgen«, entgegnete Bale.
    Ihre Zuversicht war mit einem Mal wie weggeblasen. »Noch ein Tag?«
    »Wenn die Dichtung nicht richtig trocken ist, gehen wir unter.«
    »Aber …«
    »Renn. Ich weiß genau, wovon ich rede. Wir fahren am Morgen los.«
    Sie seufzte entmutigt auf. »Aber es hat schon so lange gedauert. Torak kann alles Mögliche zugestoßen sein.«
    »Ja«, sagte Bale. »Das weiß ich doch auch.«
    Um ihre Enttäuschung loszuwerden, ging Renn auf die Jagd.
    Vielleicht lag es an ihren Opfergaben an den See, vielleicht auch an den beiden Raben, die sie am Himmel über sich erblickte, aber das Glück war ihr hold. Sie erwischte noch eine Ente, diesmal einen Säger. Den bereitete sie so zu, wie es ihr Vater ihr vor langer Zeit beigebracht hatte: Sie rollte ihn in Lehm und garte ihn in der glühenden Asche. Dann brach sie die Lehmkruste auf, um an das saftige Fleisch heranzukommen.
    Nachdem sie gegessen hatten, setzte sich Bale auf die Kiefernnadeln und glättete eines der neuen Eschenholzpaddel mit den Stielen von Schachtelhalmen, während Renn die Innereien des Sägers auf das Blatt des anderen Paddels legte und es als Opfergabe in den See tauchte. Obwohl es schon Abend war, war es immer noch sehr warm. Die Frösche quakten im Röhricht.
    Von Westen her kam Wolfsgeheul.
    Bale hob den Kopf. »Da sind sie wieder.«
    Sie hörten sie nicht zum ersten Mal, aber obwohl Renn Wolfs Heulen erkannt zu haben glaubte, konnte sie nirgendwo das von Torak ausmachen. Mit einem Mal machte sie sich schreckliche Sorgen. Wie konnte Torak bloß ohne Wolf sein?
    Die Raben kamen wieder, flogen hoch über ihnen dahin und wandten die Köpfe von einer Seite zur anderen und blickten auf sie herab. Sie fragte sich, ob die beiden Vögel nach all den bösen Zeichen endlich ein gutes waren.
    »Du bist so still«, sagte Bale.
    Sie drehte sich um und wollte ihm antworten, doch dann erstarrte sie.
    »Was hast du?«, fragte Bale.
    »Am ersten Morgen, nach dem Unwetter, bist du von diesen Kiefernnadeln, auf denen du jetzt stehst, bis ans Seeufer hinuntergegangen.«
    »Und?«
    »Das war nicht so weit. Du hast allerhöchstens drei Schritte bis zum Wasser gebraucht. Versuch es jetzt mal.«
    Verdutzt folgte er ihrer Aufforderung und lief gleich noch einmal hin und her, um sicherzugehen. »Fünf Schritte. Der See. Er sinkt, genau wie es die Otter vorhergesagt haben.« Sein Gesicht wurde ernst. »Seshru.«
    Renn nickte. »Sie wird stärker.«

Kapitel 27

    »Wuff!«, bellte Wolf und warnte Torak davor, weiterzugehen. Aber Torak konnte jetzt nicht mehr umkehren und Wolf konnte nicht mit ihm kommen.
    Torak warf ihm einen beruhigenden Blick zu und eilte weiter durch das Flussbett, von Grasbüschel zu Grasbüschel springend. Die Sonne stand tief, aber mit etwas Glück würde er die Heilquelle noch vor dem Abend erreichen.
    Er durfte nicht mehr bis zum Morgen warten. Die Wunde auf seiner Brust brannte und hatte angefangen, gelben Eiter abzusondern. Die Seelenesser wollten ihre Macht behaupten.
    »Wuff!«, bellte Wolf vom Waldsaum her.
    Kehr um!, sagte Torak in der Wolfssprache. Durch die Halme sah er Wolf winselnd im Kreis herumlaufen.
    Der Felssturz war genau so, wie er ihn in Erinnerung hatte: steil und eigenartig verlockend. Ein Wasserfall benetzte die Farne. Mithilfe der bequemen Tritte und Nischen für Hände und Füße und der Büsche zum Festhalten war der Aufstieg erstaunlich mühelos, aber Torak war schon bald von der sprühenden Gischt durchnässt.
    »Wuff!«
    Als er nach unten blickte, sah Torak erschrocken, dass Wolf drauf und dran war, ihm zu folgen. Aber die Steinwand war zu steil für ihn. Er sprang daran hoch, seine Krallen

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