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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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hinunter, sah sich um und trennte die Duftspuren voneinander. Kurz darauf hatte er die von Groß Schwanzlos herausgefunden und folgte ihr in den Wald.
    Er musste nicht weit laufen, bis er am Runden Nass ankam. Er roch Fischhund und Kiefernblut und den hellfelligen Schwanzlos. Er hockte sich ans Ufer und winselte. Groß Schwanzlos war mit dem Hellfelligen in der schwimmenden Haut weggegangen. Diese schwimmenden Häute waren Ohn-Hauch – das wusste Wolf, weil er schon einmal an einer herumgekaut hatte –, trotzdem schwammen sie schneller als ein Schwarzfisch. Es wäre sinnlos, Groß Schwanzlos hinterherzuschwimmen. Er war weg.
    Wieder wandte sich Wolf in alle Richtungen, um Witterung aufzunehmen. Er erschnupperte den Duft der Rudelgefährtin. Ja. Jetzt wusste er, was er zu tun hatte!
    Hatte er erst einmal die Rudelgefährtin gefunden, dann würde er auch seinen Rudelgefährten wiederfinden. Die beiden blieben nie lange voneinander getrennt.

Kapitel 33

    Renn achtete nicht darauf, in welche Richtung sie rannte. Die dunklen Kiefern sahen ihr ungerührt zu, aber die Wacholderbüsche streckten die stacheligen Krallen nach ihrer Kleidung aus, rieten ihr, langsamer zu gehen. Sie rannte weiter.
    Noch immer hallte Toraks Stimme in ihrem Kopf wider. Geh weg – ich will dich nie wieder sehen! Der Ausdruck in seinem Gesicht … Wie er sich in sich selbst zurückzog, wie ein Wolf, der seine Wunden leckt.
    Sie hatte ihm das angetan. Es war ihre Schuld.
    Das Rauschen eines Wasserfalls drang zu ihr durch, und als sie sich umsah, stand sie an einem schmalen Streifen Schilf, hinter dem eine Steilwand aufragte.
    Sie ballte die Fäuste. Irgendwo dort oben war die Frau, die das Leben ihres Vaters zerstört und einen dunklen Schatten auf das ihre geworfen hatte; die Frau, die ihr ungewollte Fähigkeiten aufgebürdet und ihr den einzigen Freund, den sie jemals gehabt hatte, geraubt hatte.
    Renn sprang von Grasbüschel zu Grasbüschel, bis sie direkt vor der Felswand stand. Sie legte den Kopf in den Nacken. Sie könnte hinaufsteigen und der Natternschamanin die Stirn bieten, aber das war womöglich genau das, was diese wollte. Vielleicht hatte sie ihr eine Falle gestellt, um sie lebend zu fangen – oder auch tot –, das war ihr ziemlich egal.
    Mit einem verzweifelten Schrei drehte sie um und rannte davon.
    Sie fand einen Pfad, der am Nordufer entlangführte. Sie war nicht lange unterwegs, als sie Blicke auf sich spürte und herumfuhr.
    »Bale?«, flüsterte sie. »Torak?«
    Niemand. Niemand folgte ihr. Sie war dort angekommen, wo sie auch schon vor Torak gewesen war. Allein und ohne Freunde.
    Schließlich erreichte sie eine kleine Bucht, die in der Sommernacht dunkelblau glitzerte. Haufenweise Treibholz lag herum, von Wind und Regen gebleicht. Am Scheitelpunkt der Bucht hielten drei Posten Wacht. Sie hatten unförmige Köpfe aus Lehm und ihre weißen Augen blickten über den See. Renn nahm das leise hohe Heulen ihrer Macht wahr und ihre Hand fuhr sofort zu den Federn ihres Totemtieres. Dann schlich sie hinter den Wächtern vorbei, um nicht gesehen zu werden.
    Am östlichen Ende der Bucht entdeckte sie, vor den Wachtposten hinter Kiefern abgeschirmt, ein kleines Boot aus Hirschleder, im flachen Wasser festgemacht. Vielleicht gehörte es der Natternschamanin. Es war ihr egal.
    Eilig löste sie die Leine und sprang hinein. Das Boot wackelte ein wenig, aber sie tauchte das Paddel beherzt ein und legte vom Ufer ab. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie wollte, aber sie musste weiter. Bloß nicht anhalten.
    Etwas veranlasste sie dazu, sich umzudrehen.
    Dort am Ufer stand die Natternschamanin und sah ihr nach.
    Der Schreck fuhr Renn in alle Glieder. Als wäre sie in einem unsichtbaren Netz gefangen, drehte sie das Boot um, und sie sahen einander über das glitzernde Wasser an.
    »Was willst du?«, fragte Renn. Sie konnte es nicht leiden, wenn ihre Stimme so zitterte.
    »Nichts, was du mir geben könntest«, lautete die Antwort der Natternschamanin. Im Mondlicht sah ihr Gesicht graublau aus.
    »Warum bist du dann hier?«, fragte Renn. »Hast du nicht schon genug Unheil angerichtet?«
    Die schwarzen Lippen teilten sich. »Du enttäuschst mich, Tochter. Ich hatte auf weniger Leidenschaft gehofft. Mehr Selbstbeherrschung.«
    »Ich habe ihm wehgetan. Ich habe meinem besten Freund sehr wehgetan.«
    Seshru warf wütend den Kopf in den Nacken. »Wie schade! Du hast das Herz deines Vaters! Andererseits …« Sie warf die Lippen auf und nickte in

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