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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Bevor er ablegte, sprang er jedoch noch einmal heraus und rannte zurück zu Renn. Er löste die Messerscheide vom Gürtel und drückte sie in ihre Hände. »Pass gut darauf auf«, murmelte er.
    »Aber … es gehört dir, du wirst es brauchen!«
    »Keine Zeit für Erklärungen. Bale soll es dir sagen.« Schon über die Schulter rufend, fügte er hinzu: »Sie ist hinter mir und dem Feueropal her, sie darf nicht beides in die Finger bekommen!«

    Während Torak das wendige Boot über das Wasser fliegen ließ, verwandelte der Weltgeist den Tag in Dämmerung. Donner grummelte. Die Luft knisterte ahnungsvoll. Die Flut konnte jeden Moment kommen.
    Vor seinem geistigen Auge sah er die Lebewesen vom See und aus dem Wald um ihr Leben laufen. Elche, Wild und Pferde rannten auf die Hügelkämme zu; Biber und Otter hasteten so gut es ging die Hänge hinauf; Eichhörnchen und Marder suchten Zuflucht in den dicksten Eichen. Sogar die Fische versteckten sich auf dem Grund des Sees.
    Und die Wölfe? Deshalb waren sie wahrscheinlich von der Insel geflohen, sie hatten das kommende Unheil gespürt. Torak hoffte, dass sie die Jungen hoch genug in Sicherheit gebracht hatten – und dass Wolf bei ihnen war.
    Der Himmel im Osten war eine einzige brodelnde Masse aus Gewitterwolken. Bald würden Blitze den Eisfluss öffnen und den schrecklichen Zorn der dahinter aufgestauten Wassermassen entfachen. Torak stellte sich vor, wie die Flut auf den See traf: wie sie über Inseln hinwegraste, das Lager des Otterclans wegspülte und alles, was sich ihr in den Weg stellte, mit sich riss.
    Der Wind blies mit jedem Augenblick heftiger, doch er musste weiterpaddeln. Er war beinahe am Ende seiner Kräfte, als er das Westufer erreichte und ein Stück südlich des Axtknaufflusses anlegte. Nirgendwo ein Zeichen von Booten oder Menschen. Nur das vom Wind niedergedrückte Schilf.
    Torak ließ das Boot am Ufer liegen und drang am Fuß des Kamms in ein Dickicht ein. Die Bäume stöhnten, wollten ihn mit ihren Warnungen zurückschicken. Nach allem, was er wusste, müsste eigentlich der gesamte Hang von Jägern wimmeln, die nach ihm Ausschau hielten, und er hatte nicht mehr als seine Axt. Eine kümmerliche Verteidigung gegen Pfeile und Speere.
    Erschöpft wie er war, musste er schon bald eine Verschnaufpause einlegen. Er fragte sich, welche Richtung er einschlagen sollte, als ihn aus den Wacholderbüschen etwas ansprang und zu Boden warf.

    Endlich hatte Wolf Groß Schwanzlos gefunden!
    Mit einem Mal war seine Trauer darüber, das Rudel verlassen zu haben, wie weggeweht, und er bedeckte das Gesicht seines Rudelgefährten mit begeisterten schnüffelnden und schleckenden Wolfsküssen.
    Ich konnte dich nicht zurücklassen!, teilte er Groß Schwanzlos mit. Jetzt bin ich wieder da und gehe nie wieder weg von dir, genau wie du gesagt hast!
    Aber die Begrüßung von Groß Schwanzlos fiel eilig und knapp aus, und erst dann merkte Wolf, wie es um ihn bestellt war. Er roch Natternzunge an seinem Rudelgefährten. Er spürte große Sorge und Gefahr. Was soll ich tun?, fragte er.
    Suche die Raben, antwortete Groß Schwanzlos.
    Das hörte Wolf überhaupt nicht gern. Wieso die denn?
    Nein , sagte Groß Schwanzlos, nicht die Vögel. Wölfe, die wie Raben riechen. Finde ihren Anführer.
    Jetzt hatte Wolf begriffen. Er stieß seinen Rudelgefährten zum Zeichen seines Einverständnisses mit der Schnauze an, dann rannte er durch den Wald davon.
    Der große Lagerplatz der Schwanzlosen war nicht viele Sprünge entfernt, sodass er schon bald den Farn an seinem Rand erreicht hatte. Vorsichtig und ungesehen schlich er näher heran, um den Anführer zu suchen.
    Das ganze Lager brodelte vor Aufregung und Wolf hörte aus den Rudeln der Eber, Wölfe und Raben viel wütendes Knurren. Dann erhaschte er die ruhigen, aber kräftigen Töne des Rabenanführers. Dieser Schwanzlose jaulte niemals laut. Das musste er nicht. Er genoss den Respekt aller anderen.
    Wolf setzte vorsichtig eine Pfote vor die andere und schob sich näher.
    Die Hunde waren unruhig, doch Wolf hatte sich unterwegs in einem Fladen Auerochsendung gewälzt, sodass er sich anschleichen konnte, ohne von ihnen gewittert zu werden. Als er so weit wie möglich gekommen war, duckte er sich dicht auf den Boden und wartete.
    Es dauerte nicht lange, bis der Rabenanführer seinen Blick spürte und ihn entdeckte.
    Ah, er war gerissen! Wie ein normaler Wolf streifte er Wolfs Blick, dann sah er woanders hin, damit die anderen nichts davon

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