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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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»Aber es geht nur in Erde oder Stein. Und …« Er verstummte.
    »Ja?«, fragte Bale.
    »Zusammen mit ihm muss man ein Leben begraben. Sonst bleibt er nicht tot.«
    Sie vermieden es, einander in die Augen zu sehen.
    Torak dachte an Renn und daran, wie sie im Hohen Norden bereit gewesen war, ihr Leben dafür zu geben, dass der Feueropal vernichtet wird. Er fragte sich, ob er für so etwas jemals den Mut aufbringen würde.
    Und er musste daran denken, wie oft sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um ihm zu helfen.
    Plötzlich stieß Rek ein lautes »Kek Kek« aus und beide Raben erhoben sich flatternd in die Luft.
    Torak sprang auf.
    »Hör mal!«, flüsterte Bale. »Da ist etwas, drunten am See!«
    Torak lauschte und vernahm ein leises Tröpfeln. Dann ein schleifendes Geräusch, als kröche etwas aus dem See heraus – und dann einen glucksenden, unsicheren Schritt.
    Die beiden Jungen packten ihre Messer fester und schlichen zwischen den Bäumen hindurch.
    Dort, zwanzig Schritte unterhalb von ihnen, bewegte sich etwas im dunklen Erlengestrüpp.
    Torak spürte Bales Hand am Arm, als das Ding vollends sichtbar wurde. Wassergras tropfte von den Gliedern und aus den wassertriefenden Haaren der Gestalt.
    Bale drehte sich zu Torak um. Seine Lippen waren blutleer. »Was ist das?«
    Torak starrte auf die blassen, schlaff herabhängenden Arme des Wesens; auf das Band aus Ebereschen an einem Handgelenk. Er richtete sich auf. »Das ist Renn!«

Kapitel 35

    Renn sah die beiden auf sich zulaufen und hörte sie ihren Namen rufen. Ihre Knie gaben nach und sie sank zu Boden. Bale fing sie an der Schulter auf. Torak nahm ihr Köcher und Bogen ab.
    »Es kommt!«, keuchte sie. Ein Hustenkrampf schüttelte sie und sie spie brackiges Seewasser aus.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte Bale.
    Sie versuchte zu antworten, aber ein neuerlicher Hustenanfall hinderte sie daran. Keine Zeit, ihnen von diesem schrecklichen Augenblick zu berichten, in dem sie das Unheil, das sie alle bedrohte, vorausgesehen hatte; von ihrem panischen Versuch, die Clans zu warnen, während das widerspenstige Boot alles daransetzte, ihr Vorhaben zu vereiteln: wie es sich gedreht und gebockt und sie schließlich über Bord geworfen hatte. Und jetzt kniete Bale neben ihr und hatte keine Vorstellung von der bevorstehenden Gefahr, während Torak ihren Bogen mit einer Handvoll Gras trocknete und versuchte, ihrem Blick auszuweichen.
    »Jetzt bist du in Sicherheit«, sagte Bale.
    »Niemand ist in Sicherheit!« Sie packte ihn am Arm. »Hört mir zu! Die Flut kommt!«
    Sie sahen sie ungläubig an.
    »Der Eisfluss«, keuchte sie. »Den ganzen Frühling über hat er das Schmelzwasser zurückgehalten! Deshalb ist das Eis so blau gewesen, deshalb ist der See immer niedriger geworden!« Wieder musste sie sich hustend unterbrechen. »Die ganze Zeit schon sehe ich Zwillinge. Zwei Seen, versteht ihr? Dieser See – und der See hinter dem Eis ! Seshru hat den geweihten Lehm gestohlen, sie hat den See krank gemacht. Und jetzt braut sich ein Unwetter zusammen und der Weltgeist wird die Eiswand zerschlagen! Die Flut wird uns alle mit sich reißen!«
    Sie wandte sich an Torak. »Egal, was du von mir hältst, du musst mir glauben! Du musst die Otter warnen! Sie müssen in die Berge gehen, sonst sind sie verloren!«
    Torak setzte ihren Bogen ab, vermied es aber immer noch, sie anzusehen. »Es betrifft nicht nur die Otter.«
    »Wie meinst du das?«, fragte sie.
    »Lagerfeuer am Westufer«, sagte Bale. »Wir glauben, es ist der Eberclan, auf der Suche nach Torak. Vielleicht sind noch andere Clans dabei.«
    Renn biss sich auf die Fingerknöchel. »Die Raben. Fin-Kedinn sucht mich bestimmt. Sie werden alle ertrinken.«
    »Wir nehmen das Robbenboot«, sagte Torak zu Bale. »Damit erreichen wir sie am schnellsten.«
    Bale nickte. »Aber nicht alle. Sonst sind wir zu langsam. Außerdem würde Renn es ohnehin nicht schaffen.«
    »Natürlich schaffe ich es!«, rief Renn.
    »Nein, unmöglich«, sagte Bale. Zu Torak sagte er: »Dieser Hang ist nicht besonders steil, ich kann sie weiter nach oben bringen, dort sind wir sicher. Nimm du das Boot. Du musst sie warnen.«
    »Ich? Dein Boot nehmen? Du lässt doch sonst niemanden  –«
    »Torak«, unterbrach ihn Bale, »dadurch kannst du ihnen beweisen, dass du kein Seelenesser bist!«
    »Wenn sie ihn nicht vorher aufspießen«, warf Renn ein.
    Torak überhörte den Einwand.
    Kurz darauf hatte Bale das Boot ins Wasser geschoben und Torak war bereit.

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