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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Donner. Auf der anderen Seite des Sees dröhnte der Eisfluss.
    Als er sich aufrappelte, begriff Torak plötzlich, dass Aki nicht so sehr von Hass getrieben war, sondern von der Angst, vor seinem Vater zu versagen – und dagegen war kein Kraut gewachsen. Also ließ er ihn weiter an seiner Axt reißen, rannte auf die Eiche zu und sprang nach dem niedrigsten Ast. Die Verzweiflung verlieh ihm ungeahnte Kräfte und schon bald war er zehn Schritte weit über dem Boden.
    »Aki!«, rief er laut. »Lass die Axt stecken! Komm rauf!«
    Wieder das dumpfe Dröhnen des Eisflusses – und auf einmal ließ Aki den Axtstiel los und stürzte ebenfalls zur Eiche. Aber er war schwerer als Torak und kam nicht bis an den untersten Ast heran.
    »Nimm meine Hand!« Torak beugte sich, so weit es ging, hinab.
    Aber es reichte nicht. Und mit einem Arm konnte Aki nicht klettern.
    Durch den Regen sah Torak den rechten Arm des Eberclanjungen vor der Brust festgebunden: den Arm, den er, Torak, gebrochen hatte, als er Aki in die Stromschnellen geworfen hatte.
    Knurrend sprang Torak vom Baum und legte die Hände zu einem Tritt zusammen. »Schnell! Hoch mit dir!«
    Aki war entgeistert. Dann setzte er den Fuß auf Toraks Hände und Torak schob ihn mit letzter Kraft in den Baum hinauf.
    Wieder kam das Brüllen heran, aber dieses Mal war es, wie Torak zu seinem Entsetzen bemerkte, nicht das Eis. Es war die Flut. In weiter Ferne sah er sie: eine riesige Wasserwand, die sich über den See auf sie zuwälzte und dabei Inseln verschluckte und Bäume entwurzelte – und immer schneller heranrollte.
    Aki rief und beugte sich herunter, um ihm seinerseits die Hand zu reichen, aber nun kam Torak nicht mehr heran. Er schaffte es nicht mehr.
    In dem Augenblick, als die Flutwelle sie erreichte, sah er Wolf auf sich zu rasen. Torak wankte ihm entgegen – er schlang die Arme um den Hals seines Rudelgefährten …
    … und dann verschlang die Welle sie beide.

Kapitel 36

    Als Torak wieder zu sich kam, lag er auf dem Rücken. Regen pladderte ihm ins Gesicht.
    Ein toter Fisch hing in der Birke über ihm. Der Sturm war vorüber. Die Flut hatte ihn auf einen steinigen Berghang voller umgeknickter junger Bäume geworfen. Von Wolf keine Spur. Torak betete, dass er sich hatte in Sicherheit bringen können.
    Er stemmte sich auf einen Ellbogen. Sein ganzer Körper fühlte sich wie durchgewalkt, sonst aber unverletzt an.
    Außerdem war Torak umzingelt.
    Hinter einem Wald aus Speeren – die alle auf ihn zeigten  – umstand ihn eine Ansammlung von Ebern, Wölfen und Raben, insgesamt vielleicht achtzig Mann. Einige davon kannte er, Männer wie Thull, Raut, Maheegun, aber sie starrten ihn so finster an, als wäre er ein Fremder für sie. Einer wie der andere waren sie verdreckt, verängstigt und darauf aus, ihn zu töten.
    Ein Pfeil bohrte sich in den Schlamm direkt neben ihm. Er erhob sich. Er war allein und ohne Waffen. Die Flut hatte seine Axt mit sich gerissen.
    Dann sah er Wolf auf dem Abhang hinter ihnen, jederzeit bereit, ihm zu Hilfe zu eilen.
    Bleib weg!, knurrte Torak. Zu viele!
    Wolf rührte sich nicht.
    Aufgeregtes Murmeln. Sie mochten es nicht, wenn er in der Wolfssprache redete.
    Ein Stein traf ihn an der Schläfe. Es gelang ihm, aufrecht stehen zu bleiben. Wenn er zu Boden ging, war es um ihn geschehen.
    »Keine Steine.« Eine vertraute Stimme erklang, und die Speere teilten sich, um Fin-Kedinn durchzulassen. Schwer auf seinen Stab gestützt, kam er auf Torak zu, dann drehte er sich zu der Menge um und stellte sich schützend vor den Jungen.
    »Geh zur Seite, Fin-Kedinn«, rief der Anführer des Eberclans. »Ich habe den Ausgestoßenen gefunden! Mir gebührt die Ehre, die Beute zu töten!«
    »Nein!« Aki drängte sich nach vorne. »Das darfst du nicht! Er hat mir das Leben gerettet!«
    Der Anführer des Eberclans drehte sich halb zu seinem Sohn um, und Aki fing an zu zittern – wich jedoch nicht zurück. »Er hätte sich selbst retten können, stattdessen hat er mir geholfen! Du darfst ihn nicht töten, Vater, es ist nicht richtig!«
    »Nicht richtig!?« Der Eberclananführer versetzte seinem Sohn einen Fausthieb, der ihn rücklings umwarf. »Er ist ein Ausgestoßener! So lautet das Gesetz!«
    »Wie kannst du so etwas sagen?«, rief Bale und schob sich zwischen den dicht stehenden Männern hindurch. »Torak hat euch alle gerettet!«
    »Er hat euch vor der Flut gewarnt!«, keuchte Renn direkt hinter ihm. Sie sah tropfnass und wütend aus. »Ohne Torak

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